Austrian Airlines: keine Entschädigungen für Schweizer

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AusgleichszahlungenSchweizer werden bei Austrian Airlines systematisch benachteiligt

Austrian Airlines soll Schweizer Passagierinnen und Passagieren systematisch Ausgleichszahlungen verweigern. Ihre Praxis beruht auf einem juristischen Fehler.

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Die Austrian Airlines soll Passagierinnen und Passagiere aus der Schweiz systematisch benachteiligen.

Die Austrian Airlines soll Passagierinnen und Passagiere aus der Schweiz systematisch benachteiligen.

IMAGO/Rene Traut
Sie verweigert ihnen Ausgleichszahlungen für gröbere Verspätungen oder verpasste Anschlussflüge. Diese seien laut der europäischen Fluggastrechteverordnung jedoch rechtspflichtig.

Sie verweigert ihnen Ausgleichszahlungen für gröbere Verspätungen oder verpasste Anschlussflüge. Diese seien laut der europäischen Fluggastrechteverordnung jedoch rechtspflichtig.

IMAGO/Wolfgang Simlinger
Dieses Problem dürfte viele Reisende aus der Schweiz betreffen: Allein von Zürich aus fliegen täglich rund acht Maschinen nach Wien.

Dieses Problem dürfte viele Reisende aus der Schweiz betreffen: Allein von Zürich aus fliegen täglich rund acht Maschinen nach Wien.

20min/Anna Bila

Darum gehts

  • Gemäss der europäischen Fluggastrechteverordnung besteht bei gröberen Verspätungen ein Anrecht auf Ausgleichszahlungen.

  • Austrian Airlines schliesst Reisende aus der Schweiz systematisch davon aus, weil die Schweiz kein Mitglied der EU sei.

  • Diese juristische Begründung ist jedoch falsch.

Allein von Zürich aus fliegen täglich rund acht Maschinen nach Wien. Die Flüge der Austrian Airlines mit Zwischenhalt in der österreichischen Hauptstadt sind eine beliebte Verbindung für Reiseziele im Osten. Doch immer wieder kommt es in Wien zu gröberen Verspätungen, woraufhin die Anschlussflüge verpasst werden. Im Normalfall entschädigt die Austrian solche Vorfälle mit Ausgleichszahlungen. Passagierinnen und Passagiere, die aus der Schweiz kommen, werden jedoch laut einer Recherche des «Tages-Anzeiger», der wie 20 Minuten zur TX Group gehört, systematisch von diesen Entschädigungen ausgeschlossen.

Eigentlich bestünde laut der europäischen Fluggastrechteverordnung bei gröberen Verspätungen ein Anrecht auf Ausgleichszahlungen. Doch die Austrian verweigert dieses Recht Schweizerinnen und Schweizern systematisch mit der Begründung, dass die Schweiz kein Mitglied der EU sei. Die EU-Fluggastrechteverordnung habe bei Umsteigeflügen keine Gültigkeit, wenn Start- und Zielort ausserhalb der EU lägen. 

Keine Entschädigung trotz sechs Stunden Verspätung

Dieses Schicksal erlitt auch ein Innerschweizer Ehepaar, das von Los Angeles nach Zürich reiste. Austrian Airlines annullierte ihren Anschlussflug in Wien. Das Paar bekam zwar einen Ersatzflug, doch musste sich mit sechs Stunden Verspätung abfinden. Laut EU-Fluggastrechteverordnung ist dies ein klarer Fall und dem Paar stünden Ausgleichszahlungen in der Höhe von 1200 Franken zu. Doch die Austrian wies die Entschädigung mit obiger Begründung ab – auch das Einschalten des auf Fluggastrechte spezialisierten Internetportals Cancelled.ch habe nichts genützt. Ähnliche Fälle könnten laut Simon Sommer, Jurist bei Cancelled.ch, an der Tagesordnung sein.

Austrian Airlines juristisch im Unrecht

Die juristische Begründung, mit der die Austrian Schweizerinnen und Schweizern Ausgleichszahlungen verweigert, ist falsch: Auf der Website des Bundesamts für Zivilluftfahrt steht, dass die EU-Fluggastrechteverordnung aufgrund bilateraler Abkommen auch für die Schweiz gilt. Die EU-Kommission bestätigt dies. 

Die EU-Regeln zu Ausgleichszahlungen gelten also auch für Reisende aus der Schweiz, wenn die notwendigen Kriterien erfüllt sind. Zum einen muss es am Zielflughafen zu einer Verspätung von mindestens sechs Stunden kommen, zum anderen muss die Fluggesellschaft Schuldige der Verspätung sein – wie etwa bei einem technischen Defekt oder mangelnden Ressourcen. Bei Unwetter oder staatlichen Einschränkungen entfällt die Pflicht der Airlines bezüglich Ausgleichszahlungen. 

«Schuldeingeständnis ohne Fehlerbewusstsein»

Die Austrian Airlines hält sich laut eigener Aussage an gültiges Recht. Daran hegen sich Zweifel: Der «Tages-Anzeiger» hat der Airline zehn Fragen zur Auslegung der relevanten Gesetzesbestimmungen gestellt – keine einzige sei beantwortet worden. Auch gehe sie nicht darauf ein, ob sie sich in Zukunft an die EU-Vorgaben halten oder es zu einem Gerichtsverfahren kommen werde. Es bleibe daher weiterhin unbestätigt, ob Passagierinnen und Passagiere aus der Schweiz systematisch benachteiligt werden.

Die Vermutung liege nahe, dass die Austrian sich ihrer fehlerhaften Rechtsauslegung bewusst sei. Vom «Tages-Anzeiger» mit vier Beispielen von Betroffenen – eines davon behandelt den Fall des Innerschweizer Ehepaars – konfrontiert, kommt auch die Airline selbst zum Schluss, dass in diesen Fällen Ausgleichszahlungen zu leisten seien. Gegenüber den Betroffenen habe sie solche bis dato aber stets verweigert.

Für den Juristen Simon Sommer ist diese Stellungnahme ein «Schuldeingeständnis ohne Fehlerbewusstsein». Die Frage laute nun, ob sich an dieser Praxis in Zukunft etwas ändern wird. Eine diesbezügliche Frage wehrt die Austrian ab. «Wir bitten Sie, unser Statement zur Kenntnis zu nehmen», lautet die Antwort. Wenn sich künftig nichts ändern wird, dürfte es laut Sommer zu einem Gerichtsverfahren in Wien kommen.

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