Erziehung«Baby schreien lassen» – Ratschlag entsetzt Eltern
Man solle Babys zum Einschlafen stundenlang schreien lassen, rät eine Kinderpsychiaterin in einem Elternmagazin. Die Leserinnen sind empört über diese «Foltermethoden».
- von
- ann
Ein Artikel im Elternmagazin «Babymag» hat unter der Leserschaft einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Kinderpsychiaterin Sophie Bretagnol empfiehlt den Eltern darin, Kinder im Alter von vier bis sechs Monaten zum Einschlafen einfach schreien zu lassen. «Egal ob nur zehn Minuten lang oder eine Stunde, das macht nichts, es schadet ihm nichts.» Auf keinen Fall solle man einknicken und es nach einer Stunde holen. «Dann denkt das Kind, dass sich das Weinen gelohnt hat und wird sich das nächste Mal sogar noch steigern.» Und: Mit dieser Methode höre das Baby spätestens nach einer Woche auf zu schreien.
«Das sind ja Foltermethoden und Misshandlungen am unschuldigsten kleinen Wesen», empört sich Simone M. in einem Facebook-Post auf der Seite des Magazins. Andere schreiben, dies seien «brutale, widerlegte Methoden» aus der Zeit der Nazis, die «Eltern zu Monstern» werden lasse. Die Voten der Frauen sind ausnahmslos entsetzt und fassungslos. Es fallen Worte wie «Obszönität», «unmenschlich», «Brecheisen-Übung» oder «Anweisungen zur Kindsmisshandlung».
Unterschied zwischen Deutschschweizern und Romands
Innert kürzester Zeit erhielt das Magazin auf seiner Facebook-Seite über 70 Posts. Einhellige Meinung: Das Magazin verbreite mit diesem Artikel Erziehungstipps, die nicht nur hoffnungslos veraltet, sondern auch schädlich seien. «Ich bitte Sie inständig, diesen Artikel richtigzustellen, damit nicht viele junge Eltern in ihrer Verunsicherung den Kindern solchen Schaden am Urvertrauen zufügen», schreibt etwa Annika G. Die Frauen gründeten gar eine eigene Facebook-Seite, auf der sie vom «Babymag» eine Stellungnahme zum Artikel fordern.
Die Macher des Magazins wurden von den Reaktionen überrascht. «Uns war nicht bewusst, dass wir ein so sensibles Thema angeschnitten haben», sagt Verlagsleiter Michel Guex. Vielleicht habe man mit der Kinderpsychiaterin, die ihre Meinung darlegte, die falsche Person gewählt. Zudem stellt Guex fest, dass die Diskussion in der Romandie nicht stattfindet. «Offenbar sind Deutschschweizer Eltern Kuscheln und sanfte Schlafmethoden wichtiger.»
Leser nicht besänftigt
Mittlerweile hat Guex auch auf Facebook reagiert. Dort bedankt sich der Verlagsleiter für die vielen Stellungnahmen. Die Diskussion über die besten Einschlafmethoden will er im nächsten Magazin aufnehmen und bittet die Leserinnen, ihm ihre Meinungen zu schreiben. Eine Entschuldigung oder Richtigstellung, wie von den Leserinnen gefordert, fehlt aber.
Entsprechend sind die Frauen nur teilweise besänftigt. Leserin Miriam L. meint:«Es ist wirklich unfassbar, dass eine Ungeheuerlichkeit dieses Ausmasses ohne Kommentar oder relativierende Erläuterungen Ihrerseits publiziert wird.»