«Freistoss» mit Georges Bregy: «Ballack konnte die Hoffnungen nicht erfüllen»

Aktualisiert

«Freistoss» mit Georges Bregy«Ballack konnte die Hoffnungen nicht erfüllen»

Die Euro 2008 ist vorbei. 20-Minuten-Online- Kolumnist Georges Bregy blickt ein letztes Mal auf das Grossereignis zurück, legt die Gründe für Deutschlands Niederlage offen und denkt an die Zukunft der Schweizer Nati.

Mir ist es am Sonntagabend vor dem Fernseh-Apparat so ergangen wie wahrscheinlich den meisten TV-Zuschauern: Ich war völlig überrascht, wie zahn- und konzeptlos die deutsche Mannschaft gegen die Spanier aufgetreten ist. Dabei hat für sie doch alles recht gut angefangen. In den ersten 20 Minuten haben die Deutschen sehr aggressiv gespielt und liessen nicht zu, dass die Spanier ihr Kombinationsspiel aufziehen konnten. Doch dann, spätestens nach dem Kopfball von Torres, der am Pfosten landete, ist bei Jogi Löws Mannschaft der Faden endgültig gerissen.

Lehmann und Ballack überzeugten nicht

Was waren die Gründe? Der wichtigste ist, dass Michael Ballack die grossen Hoffnungen einmal mehr nicht erfüllen konnte. Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob der Captain für einen Match auf diesem Niveau fit genug war. Ich sage einmal mehr: Wenn ein Spieler nicht hundertprozentig gesund ist, muss der Trainer auf ihn verzichten. Egal wie der Spieler heisst und auf welcher Position er spielt. Am Schluss ist es nämlich immer so, dass man sowohl dem Spieler als auch der Mannschaft keinen Gefallen tut. Ballack hat schon gegen die Türkei und jetzt auch gegen Spanien nichts bewegen können. Und wenn es dem Captain nicht läuft, ist die deutsche Mannschaft sehr einfach zu durchschauen.

Auch Torhüter Jens Lehmann zeigte in diesem EM-Turnier grosse Schwankungen in seinen Leistungen. Einerseits hat er seine Kollegen gegen Spanien mit guten Paraden vor einer höheren Niederlage bewahrt, anderseits trug er am 0:1 durch Torres zumindest grosse Mitschuld. Warum ist Lehmann in dieser Situation derart unmotiviert aus dem Tor gelaufen? Und wenn er schon rausgeht, dann sollte er dem Schützen den Winkel verkürzen und sich nicht sofort auf den Boden legen.

Verdienter Lohn für Spanien

Zur Leistung der Spanier muss ich nicht mehr viel sagen. Wer an einer EM-Endrunde kein einziges Spiel verliert, ist ein verdienter Sieger. Ihr breites Kader und die gute Stimmung innerhalb der Mannschaft haben den Ausschlag gegeben. Und was mich besonders gefreut hat: Das spielerische Element hat sich an der EM wieder vermehrt durchgesetzt. Es ging nicht mehr hauptsächlich um die Athletik der Akteure. Trotzdem die Spanier vergleichsweise kleine Spieler (zwischen 1,70 und 1,80m) in ihren Reihen hatten, ist es ihnen gelungen, sich gegen die robusteren aber weniger spielstarken Deutschen durchzusetzen. Und obwohl die deutschen Abwehrspieler um einiges grösser waren, kamen Torres (beim Kopfball an den Pfosten) und seine Kollegen zwei-, dreimal zu gefährlichen Kopfball-Aktionen. Wie gesagt, die Spanier haben tollen Fussball geboten und sind absolut verdiente Europameister.

Hitzfeld fehlt womöglich der Sturm

Die Schweiz und Griechenland waren für mich über die ganze EM-Endrunde gesehen die grössten Enttäuschungen. Die Griechen als amtierender Europameister gingen schon in der Gruppenphase sang- und klanglos unter. Und für die Schweiz war das Grossereignis im eigenen Land schon nach 180 Spielminuten vorbei. Für Ottmar Hitzfeld, der ab 1. Juli offiziell neuer Nationaltrainer ist, wird es auch nicht einfacher. Nach den Verletzungen von Alex Frei und Marco Streller fehlt ihm ein ganzer Sturm. Und falls unser bester EM-Torschütze Hakan Yakin tatsächlich nach Katar abwandert, kann er ihn auch gleich vergessen. In England sehe ich Yakin eher nicht. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich dort durchsetzen könnte.

Georges Bregy, 20 Minuten Online

Immer wieder schön anzusehen: Georges Bregys legendärer Freistoss an der WM 1994 gegen die USA

Der Kolumnist

Der 54-fache Nationalspieler Georges Bregy spielte jahrelang in der damaligen Nationalliga A für diverse Vereine. Dabei wurde der Walliser nicht nur Meister (1986) und Cupsieger (1980, 1982), sondern in einer Saison auch als Torschützenkönig (1984) ausgezeichnet. Nach Trainerengagements bei Lausanne, Thun und dem FC Zürich arbeitet er heute als Unternehmensberater. In seiner Freizeit verfolgt er den Schweizer Fussball genau und steht ab der Saison 2008/09 beim FC Red-Star ZH (1. Liga) an der Seitenlinie.

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