DeckeneinsturzBaupfusch beim Westside?
Rostende Metallplatten, falsche Schrauben und nun eine eingestürzte Decke – die Pannenserie im Westside reisst nicht ab. Führten Zeit- und Kostendruck beim Bau zu Fehlern?
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- amc/big/nj
Drei Monate vor der Eröffnung des laut Eigenbezeichnung «grössten Einkaufszentrums» der Schweiz war das Westside noch immer eine Baustelle. Es war lärmig und staubig. 1700 Arbeiter werkten, klopften, strichen und montierten um die Wette, um das Prestigeobjekt rechtzeitig zur Eröffnung fertig zu stellen. Der Druck war hoch - und nicht alles verlief rund.
Im Gewirr von Sub-Unternehmen des Totalunternehmens «Arge TU Westside» und deren Sub-Sub-Unternehmen stellten Baukontrolleure des Kantons im November 2007 einige Dutzend Fälle von Lohndumping fest. Die Inspektoren kontrollierten 650 Personen sowie 170 Betriebe und sprachen zwischen 30 und 40 Sanktionen aus. Einigen ausländischen Firmen stellten die Kommissare Arbeitssperren für die Schweiz aus. Gemäss der Gewerkschaft Unia wurden teilweise Löhne von 15 statt 30 Franken pro Stunde bezahlt. Am Bau beteiligte Arbeiter sagten, dass Sub-Unternehmer aufgrund des Kostensdrucks ausländische Firmen angeheuert haben, die als Sub-Sub-Unternehmer noch günstiger gearbeitet hätten.
Keine Routine und grosser Zeitdruck
Die Unternehmer fuhren dabei nicht nur kostentechnisch am Limit, sondern auch arbeitstechnisch: Die Arbeit am buchstäblich schrägen Bau von Star-Architekt Daniel Libeskind verlangte ihnen alles ab. Weil viele Teile speziell angefertigt werden mussten, gab es kaum Routine. Der Zeitdruck war jedoch immens. In den letzten Monaten der Arbeiten wurde teilweise in Schichten gearbeitet. Die Firmen stockten ihr Personal aufs Maximum auf, um den Zeitplan einzuhalten. Das Berner Amt für Wirtschaft erwischte drei Temporärbüros, die Arbeitskräfte zu Dumpinglöhnen besorgten. Die «Neue Brünnen AG», die die Gesamtprojektleitung hatte betonte, dass sie nichts mit den Arbeitsanstellungen zu tun gehabt habe und die Dumpinglöhne nicht dulde.
Die Verfahren gegen die Unternehmer und Personalfirmen waren im Oktober 2008 noch in vollem Gange, als der Baulärm im Westside verstummte und der 500 Millionen Franken teure Bau eröffnet wurde. Nur einige Tage später löste sich eine Deckenplatte im McDonald und fiel auf spielende Kinder. Der Fast-Food-Gigant erklärte, die Elemente seien heruntergefallen, weil die Kinder die Elemente mit Bällen beworfen haben. Doch es blieb im Westside nicht bei diesem Vorfall.
«Ungenügend behandeltes Material» und kein Problem
Nur einige Wochen später begannen im «Bernaqua» bereits erste Handlaufe, Treppen, Lampen und Schrauben zu rosten. Die Verantwortlichen winkten ab: Es sei kein Problem, es sei nur «offenbar suboptimales Material verwendet worden», zudem sei das Metall «ungenügend behandelt» worden. Die Schrauben tauschte man aus, weil es «eine falsche Serie» war, wie es hiess. Am Dienstag löste sich zweieinhalb Jahre nach dem Bau im Badebereich ein 100 Quadratmeter grosses Deckenelement, begrub einen Mann unter sich und verletzte eine weitere Person. Die Ursache ist noch ungeklärt. Der CEO der Neuen Brünnen AG, Anton Gäumann, wollte sich deshalb nicht zu diesem Thema äussern und sagte: «Wir untersuchen alle möglichen Ursachen.»
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