Privatsphäre: Behörden prüfen Handys von Asylbewerbern nicht

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PrivatsphäreBehörden prüfen Handys von Asylbewerbern nicht

Acht von zehn Asylbewerbern kamen letztes Jahr ohne Papiere in die Schweiz. Um ihre Identität zu überprüfen, sollen ihre Handys untersucht werden, fordern Politiker.

D. Pomper
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D. Pomper
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CVP-Nationalrat Jakob Büchler fordert, dass das SEM künftig Handys einziehen und überprüfen darf: «Auf den mitgeführten Handys wären wichtige Indizien zur Herkunft gespeichert. Fotos oder Videos etwa könnten die eigene Fluchtgeschichte untermauern», sagt Büchler.

CVP-Nationalrat Jakob Büchler fordert, dass das SEM künftig Handys einziehen und überprüfen darf: «Auf den mitgeführten Handys wären wichtige Indizien zur Herkunft gespeichert. Fotos oder Videos etwa könnten die eigene Fluchtgeschichte untermauern», sagt Büchler.

Keystone/Marcel Bieri
Denn auch wenn den meisten Asylbewerbern Papiere fehlten: «Ein Handy haben fast alle», sagt Büchler.

Denn auch wenn den meisten Asylbewerbern Papiere fehlten: «Ein Handy haben fast alle», sagt Büchler.

Keystone/Peter Klaunzer
Trotz Datenschutzproblemen plädierte kürzlich auch Ashti Amri, stellvertretender Leiter des Durchgangszentrums im Kanton Bern, in der NZZ dafür, in Zweifelsfällen auf Handy-Daten zugreifen zu können. Denn es gehe um die Autorität des Staates und den Schutz von echten Flüchtlingen.

Trotz Datenschutzproblemen plädierte kürzlich auch Ashti Amri, stellvertretender Leiter des Durchgangszentrums im Kanton Bern, in der NZZ dafür, in Zweifelsfällen auf Handy-Daten zugreifen zu können. Denn es gehe um die Autorität des Staates und den Schutz von echten Flüchtlingen.

Keystone/Marcel Bieri

Jährlich kommen Tausende Asylbewerber ohne Identitätspapiere in die Schweiz. Sei es, weil sie sie verloren haben. Oder weil sie sie bewusst unterschlagen und sich unter einer vorgetäuschten Identität bessere Chancen für ihr Asylgesuch erhoffen. So konnten letztes Jahr 20'000 Asylbewerber ihre Identität nicht mit einem Pass oder einer ID belegen. Das entspricht rund 81 Prozent der Gesuchsteller. Ein Jahr zuvor waren es mit 30'000 Asylbewerbern 76,2 Prozent aller Asylbewerber gewesen.

Um die Identität der Asylbewerber ohne Pass zu überprüfen, wendet das Staatssekretariat für Migration SEM eine Sprachprüfung, den sogenannten Lingua-Test an (siehe Box). Um herauszufinden, woher eine Person komme, sei dieser Test aber unzureichend, findet CVP-Sicherheitspolitiker Jakob Büchler. Er fordert, dass das SEM künftig Handys einziehen und überprüfen darf: «Auf den mitgeführten Handys wären wichtige Indizien zur Herkunft gespeichert. Fotos oder Videos etwa könnten die eigene Fluchtgeschichte untermauern», sagt Büchler. Denn auch wenn den meisten Asylbewerbern Papiere fehlten: «Ein Handy haben fast alle.»

Ein Verstoss gegen die Privatsphäre

Zwar besteht auch in der Schweiz für Asylsuchende die Mitwirkungspflicht, damit die für ein Verfahren erforderlichen Informationen zusammengetragen werden können. Handys von Asylbewerbern zu konfiszieren und auszuwerten ist rechtlich allerdings nicht erlaubt, da dies als Verstoss gegen die Privatsphäre gilt.

Trotz Datenschutzproblemen plädierte kürzlich auch Ashti Amri, stellvertretender Leiter des Durchgangszentrums im Kanton Bern, in der NZZ dafür, in Zweifelsfällen auf Handy-Daten zugreifen zu können. Denn es gehe um die Autorität des Staates und den Schutz von echten Flüchtlingen. Zudem müssten die öffentlich zugänglichen Profile dieser Personen auf Facebook und Twitter analysiert werden. Nach seinen Erfahrung verfügten 90 bis 95 Prozent der Flüchtlinge über ein solches Konto.

Kontakte aus dem Telefonbuch

In Deutschland fordert Ansgar Heveling (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, ebenfalls, dass die Behörden Handys von Asylbewerbern prüfen sollen. «Vielleicht finden sich im Telefonbuch 95 Prozent Kontakte aus Staat X, obwohl der Schutzsuchende sagt, aus Staat Y geflohen zu sein. Vielleicht wurde das Handy immer im Dorf X genutzt, obwohl der Schutzsuchende sagt, in der Stadt Y verfolgt worden zu sein», so Heveling in der «Welt». Zuletzt habe man nach den Terroranschlägen von Ansbach und Würzburg über die Möglichkeit zur Einsichtnahme in Mobiltelefone diskutiert, das sollte jetzt wieder auf die Tagesordnung.

Gegen eine Handykontrolle von Asylbewerbern ohne Papiere wehrt sich die Schweizerische Flüchtlingshilfe: «Das ist heikel. Schliesslich befinden sich auf dem Handy persönliche Fotos, Videos oder Nachrichten», sagt Sprecher Michael Flückiger. Asylsuchende hätten dasselbe Recht auf Wahrung der Privatsphäre wie Schweizer. In Zweifelsfällen böten die etablierten Lingua-Abklärungen «eine gute, wenn auch nicht zu 100 Prozent sichere Handhabe», um die tatsächliche Herkunft von Flüchtlingen abzuklären. Es brauche dafür entsprechend genug Experten. Wenn jemand um Asyl suche und ohne Papiere einreise, bestehe bei der Identitätsabklärung ein Restrisiko, das nicht ganz ausgeräumt werden könne, sagt Flückiger.

Sexvideo nicht als Beweis zugelassen

Auch bezüglich der freiwilligen Preisgabe von Handydaten sei Vorsicht geboten. So darf ein Asylsuchender zwar freiwillig Nachweise erbringen, wie etwa Fluchtbilder oder Bilder vom Herkunftsort zeigen. Zu private Daten dürften aber auch auf freiwilliger Basis nicht akzeptiert werden. Flückiger verweist auf ein Urteil des europäischen Gerichtshofes. Im konkreten Fall ging es um einen homosexuellen Flüchtling, der aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung auf der Flucht war. Um seine Homosexualität zu beweisen, wollte er ein Handyvideo zeigen, das ihn bei der sexuellen Handlung mit einem Mann zeigte. Das Gericht liess den Beweis nicht zu. Die Begründung: Mit der Annahme eines solchen Beweises würde ein neuer Standard geschaffen. All jene, die solche Beweise nicht freiwillig liefern würden, gerieten unter Generalverdacht. Dies widerspreche dem geltenden Recht auf Privatsphäre.

Sprachtest

Um die Identität von Asylbewerbern ohne Papiere mit zweifelhaften Herkunfsangaben zu überprüfen, greift das SEM seit rund 20 Jahren zum Lingua-Test, berichtet die NZZ. Dabei wird ein Asylsuchender via Telefonleitung mit einem Experten verbunden, der die Sprache seines Herkunftslandes gut kennt. Der Kandidat hat dann in der lokalen Sprache eine Reihe von Fragen zu beantworten. Seine Antworten werden anschliessend sowohl inhaltlich wie auch sprachlich analysiert. Theoretisch lässt sich dann in den meisten Fällen rasch klären, ob die Herkunftsangabe des Betreffenden stimmt.

Ashti Amri, stellvertretender Leiter des Durchangszentrum im Kanton Bern bezweifelt, dass die Experten des Lingua-Tests mehrheitlich über die nötigen Fähigkeiten verfügen: Viele dieser Expertren kennen regionale Sprachvarianten zu wenig gut und haben auch ungenügende Landeskenntnisse, sagte er gegenüber der NZZ. Deshalb müssten unbedingt mehr gut integrierte und vertrauenswürdige Migranten für derartige Aufgaben eingesetzt werden. Das SEM widersprach in der NZZ allerdings dieser Einschätzung und verwies auf eine permanente Qualitätskontrolle.

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