- von
- Leo Hurni
Armutsfalle Corona-KriseBehörden rechnen mit Zehntausenden Sozialhilfe-Empfängern mehr
Die Corona-Pandemie hat in der Schweiz für den grössten wirtschaftlichen Einschnitt seit dem 2. Weltkrieg gesorgt. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) geht davon aus, dass bald deutlich mehr Menschen auf Hilfe angewiesen sein werden. 2019 bezogen in der Schweiz 271’400 Personen Sozialhilfe. Der Verband hat am Donnerstag seine Prognosen aktualisiert – im pessimistischen Fall rechnet er mit über 75’000 neuen Sozialhilfebezügern.
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Referenzszenario: 57’800 zusätzliche Sozialhilfebezüger
Das mittlere Referenzszenario rechnet mit einem Anstieg der Sozialhilfequote von 3,2 Prozent auf 3,8 Prozent. Die Zahl der auf Sozialhilfe angewiesenen Personen würde sich um 21 Prozent erhöhen, was 57’000 Personen entspricht. Bei Gemeinden und Kantonen fielen Mehrkosten von 821 Millionen Franken an.
Pessimistisches Szenario: 75’900 zusätzliche Sozialhilfebezüger
Im pessimistischen Szenario rechnet die Skos mit einem Anstieg der Sozialhilfequote auf 4 Prozent und einer Zunahme aller Sozialhilfebezüger von 28 Prozent. Kantone und Gemeinde haben dann mit Zusatzausgaben von rund einer Milliarde Franken zu rechnen.
Optimistisches Szenario: 32’900 zusätzliche Sozialhilfebezüger
Das entspricht einer Sozialhilfequote von 3,5 Prozent. Im Vergleich: Die Sozialhilfequote im Jahr 2019 betrug 3,2 Prozent. Ausgehend von den Nettoausgaben für die Sozialhilfe von 2,83 Milliarden Franken 2018 würde das optimistische Szenario die Gemeinde und Kantone rund 543 Millionen Franken mehr kosten, also rund 3,3 Milliarden Franken.
Zahl der Sozialhilfe-Fälle steigt bereits
In einigen Kantonen steigt die Sozialhilfequote bereits deutlich stark an: Im Kanton Genf, der im Herbst die Läden schloss, belief sich die Zunahme im November 2020 auf 8,5 Prozent im Vergleich zum Durchschnittsmonat 2019. Auch in der Stadt Luzern stieg die Zahl der Sozialhilfeempfänger deutlich an (plus 8 Prozent). Grund dafür: Genf und vor allem Luzern sind beide stark abhängig von den ausländischen Touristen – diese blieben dieses Jahr weitgehend aus.
Markus Kaufmann, Geschäftsführer der Skos, sagt dazu: «Was uns freut, ist, dass das Netz der sozialen Sicherheit funktioniert. Wir stehen jetzt allerdings vor Herausforderungen. Wir sehen einen klaren Anstieg der Arbeitslosen in diesem Jahr. Zudem haben wir gegenüber November 2019 fast eine Verdoppelung der Langzeitarbeitslosen.» Hier gebe es jetzt auch Handlungsbedarf seitens der Politik.
Für 2023 rechnet die Skos dann wieder mit einer leichten Abnahme der unterstützten Personen mit einem leichten Rückgang der Sozialhilfequote um 0,2 Prozent.