Diskussion um Corona-Impfung«Bei der Gelbfieberimpfung beklagt sich auch kaum jemand»
Opernkarten nur für Geimpfte? Für den obersten Gesundheitsdirektor ein denkbares Szenario. Kritiker warnen vor einem «indirekten Impfzwang».
Darum gehts
Anfang 2021 soll die Impfung gegen das Coronavirus auch Schweizern zur Verfügung stehen.
Ein Impf-Obligatorium ist nicht geplant.
Der oberste Gesundheitsdirektor der Schweiz, Lukas Engelberger, rechnet aber damit, dass ein «Alltagsdruck entstehen wird», sich impfen zu lassen.
Kritiker sprechen von einem «indirekten Impfzwang».
Die Corona-Impfung in der Schweiz soll gratis sein. Anfang nächstes Jahr sollen erste Menschen geimpft werden, eine allgemeine Impfpflicht ist nicht geplant. Der oberste Gesundheitsdirektor der Schweiz, Lukas Engelberger, rechnet aber damit, dass ein «Alltagsdruck entstehen wird», sich impfen zu lassen – etwa für Reisen «und andere Aktivitäten».
«Wenn Sie Opernveranstalter sind, möchten sie vielleicht nur Tickets verkaufen an Personen, die geimpft sind. Das ist denkbar», sagte der Basler CVP-Regierungsrat diese Woche vor den Medien. Und weiter: «Es sind solche Fragestellungen, die wir noch nicht kennen, die auf uns zukommen und die schwierige Diskussionen bringen werden.»
Berset hält Impfpflicht bei Auslandsreisen für möglich
Auch Gesundheitsminister Alain Berset sagte, dass man in immer mehr Ländern prüfe, inwiefern eine Impfung die Bedingung für eine Einreise sein sollte. «Das schafft noch kein Impfobligatorium, aber es könnte ein Obligatorium geschaffen werden, um in ein anderes Land zu reisen.» Soweit sei man aber noch nicht.
Gesundheitsminister Alain Berset und GDK-Präsident Lukas Engelberger haben in Bern über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise informiert.
Allerdings kündigte etwa der Chef der australischen Qantas-Airline bereits eine Impfpflicht für Langstreckenflüge für den Fall zu prüfen, dass der Öffentlichkeit ein Impfstoff zur Verfügung stehen sollte.
Diese Diskussion bereitet der Anwältin und Basler Grossrätin Michelle Lachenmeier (Grüne) zunehmend Sorgen: «Es ist aus moralischer und rechtlicher Sicht falsch, den Leuten Nachteile in Aussicht zu stellen, wenn man sich nicht impfen lässt. Ich bin keine Impfgegnerin und man kann es von mir aus lächerlich finden, dass es Impfgegner gibt. Aber eine Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Integrität und muss darum absolut freiwillig sein.»
Es sei zu akzeptieren, dass es Leute gebe, die das Restrisiko nicht tragen wollten, zumal es für eine Herdenimmunität wohl nicht nötig sein werde, dass sich alle impfen liessen.
«Ungeimpfte könnten erhebliche finanzielle und soziale Nachteile erfahren»
Nun gehe es zunächst vielleicht «nur» um den Besuch einer Oper oder eines Fussballmatches, sagt die Juristin. Seien aber «erst einmal alle Hemmungen gefallen», könnten Ungeimpfte erhebliche soziale und finanzielle Nachteile erfahren und beispielsweise aus gewissen Berufen ausgeschlossen werden. «Oder sie könnten auf den Kosten einer Behandlung sitzenbleiben.» Dies führe indirekt zu einem Impfzwang.
Lachenmeier sieht Parallelen zur Diskussion, ob Raucher oder Übergewichtige selbst schuld seien, wenn sie krank würden. «In eine ähnliche Richtung weist bereits die Debatte, ob Corona-Skeptiker bei einem Engpass das Spitalbett vorenthalten werden soll. Diese Tendenzen finde ich gefährlich.»
«Bei der Gelbfieberimpfung beklagt sich auch kaum jemand»
Verfrüht kommt die Diskussion für Epidemiologe Marcel Tanner, der Mitglied der wissenschaftlichen Covid-Taskforce des Bundes ist. «Zuerst müssen wir eine sichere und wirksame Impfung haben. Dazu brauchen wir erst alle Resultate der wichtigen Studienphase 3.» Erst dann könne man eine Impfstrategie festlegen – etwa, ob nur bestimmte Risikogruppen oder die ganze Bevölkerung geimpft werden sollten.
Hier werde die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die internationale Koordination eine wichtige Rolle spielen, sagt der Public-Health-Experte. Tatsächlich sei dann denkbar, dass man nur noch mit einer nachgewiesenen Impfung in bestimmte Gebiete könne. «Für die Einreise in manche afrikanische Länder benötigt man beispielsweise eine Gelbfieberimpfung – es wäre also nichts Neues. Und darüber beklagt sich auch kaum jemand.»
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