Alkohol-Abstimmung«Bei einem Ja zum Alkohol ist es zum Tabak in der Migros nicht mehr weit»
Bleibts beim Alkohol, wenn die Genossenschafterinnen und Genossenschafter dem Verkauf zustimmen, oder kommt es zum grossen Wertewandel bei der Detailhändlerin? Präventionsorganisationen befürchten, dass die Migros zur Suchtverkäuferin wird.
- von
- Fabian Pöschl
Darum gehts
Am Samstag geht die Abstimmung zum Alkohol-Verkauf in der Migros zu Ende. 2,3 Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter entscheiden, ob die zehn regionalen Genossenschaften Alkohol verkaufen dürfen.
Der verstorbene Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler hätte wohl seine Freude an der Abstimmung, sagt ein Migros-Sprecher auf Anfrage. Der Migros-Gründer liess schon vor über 70 Jahren über die Alkoholfrage abstimmen.
Signal zum Wertewandel?
Doch Suchthilfeorganisationen wie das Blaue Kreuz fürchten, dass es für die Migros nicht nur beim Alkohol bleibt. Laut Sprecher Martin Bienlein ist die Abstimmung für die Detailhändlerin ein Signal für einen Wertewandel.
Der Sprecher des Blauen Kreuzes ist sicher: «Bei einem Ja gäbe es keinen Grund mehr für die Migros, nicht schon in ein paar Jahren auch Tabak oder bei einer Legalisierung auch Marihuana zu verkaufen. Die Migros würde zur Suchtverkäuferin.»
«Gras in der Migros»
Auf Anfrage versichert die Migros allerdings, dass es keine Initiativen für Abstimmungen zu Tabak oder Marihuana gibt. In der Werbung macht die Detailhändlerin aber Witze über «Gras in der Migros zu Ostern».
Auch Migros-Werbung zu Alkohol im Onlineshop kommt kurz vor der Abstimmung schlecht an. Digital-Experte Philippe Wampfler findet, dass die Migros ihre Marke damit sichtbar mit Alkohol in Verbindung bringt. «Aus meiner Sicht beeinflusst das die Abstimmung», sagt Wampfler zu 20 Minuten.
Die Migros würde mit dem Alkohol ihrer sozialen Verantwortung nicht mehr gerecht und würde ihre Grundwerte aufgeben, zu denen auch der Gesundheitsschutz der Bevölkerung gehöre, sagt Bienlein. Er könne nicht verstehen, warum die Detailhändlerin keine Massnahmen im Präventionsbereich zum Alkoholverkauf versprochen hätte.
Hohe Hürde zum Alkoholverkauf
Bienlein ist aber zuversichtlich, dass die Genossenschafterinnen und Genossenschafter gegen den Alkoholverkauf stimmen werden. «Die Hürde für eine Zweidrittelmehrheit ist viel zu hoch», sagt Bienlein. Eine Mehrheit von 58 Prozent der Bevölkerung ist jedenfalls dagegen, wie eine Umfrage von 20 Minuten und Tamedia ergab.
So gehts weiter
Auch Klaus Koch, Markenexperte der Agentur Brand Trust, hofft auf ein Nein bei der Abstimmung. Die Abstimmung selbst findet er gut, es sei einmalig, dass eine Detailhändlerin über ihr Sortiment mitbestimmen lässt. Die Migros gehöre zum Wertinventar der Schweiz, mehr könne eine Marke nicht erreichen. Doch nur bei einem Nein zu Alkohol würde die Migros-Marke gestärkt.
Bei einem Ja würde die Marke im Kern geschädigt, ist Koch überzeugt. «Die Migros hätte dann ein grosses Alleinstellungsmerkmal weniger gegenüber den anderen Detailhändlerinnen», so Koch. Ausserdem wäre der Schritt dann nicht mehr weit, auch Tabak ins Sortiment aufzunehmen, so der Markenexperte.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, Probleme mit Alkohol?
Hier findest du Hilfe:
Sucht Schweiz, Tel. 0800 104 104
Blaues Kreuz Schweiz, Beratungsstellen
Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen
Feel-ok, Informationen für Jugendliche