Fördernde Videospiele«Bei Gamern schlummert immenses Potenzial»
Eine Mehrheit der Chefs spielt bereits während Arbeitspausen Games. Virtuelle Spiele sollen auch im Unterricht Einzug halten, fordern die Autoren eines neuen Buches.
- von
- Ill-FiL
Über Jahrzehnte hatten Games einen schlechten Ruf: Sie würden Jugendliche vom Lernen abhalten, sie sozial isolieren und Gewalt fördern. Stimmt nicht, schreiben der Mikro- und Molekularbiologe Thomas Schutz und sein Co-Autor Martin Lorber, PR Director bei Electronic Arts, in ihrem neuen Buch. Sie räumen in «Gaming für Schule und Beruf» mit veralteten Vorurteilen auf.
Gaming ist nicht nur Zeitvertreib von sozial inkompetenten, lernfaulen Teenager-Jungs: Gut die Hälfte aller Gamer sind inzwischen Frauen, und auch in Firmen-Chefetagen wird munter gezockt. So spielen ganze 61 Prozent aller Geschäftsführer in ihren Arbeitspausen virtuelle Spiele. Der durchschnittliche Gamer ist heute 35 Jahre alt und spielt seit 12 Jahren Games.
Gaming als Karriere-Motor
Lerntherapeut Thomas Schutz bezeichnet sich selber zwar «nur» als Gelegenheitsspieler, für ihn als Analysten für Talente und Kompetenzen sei Gaming aber hochinteressant: «Jeder kann von Gaming für seine berufliche Karriere profitieren, da er während des Spielens entwickelte Kompetenzen in die Berufswelt transferieren kann.» Dabei komme es nicht darauf an, welche Art Games man spiele, so Schutz.
Zudem sei es wichtig, dass man selber entscheide, was man zockt. Würden etwa Uni-Professoren oder Lehrer vorschreiben, was gespielt werden soll, sei das kontraproduktiv: «Der Lernende soll entscheiden, welches Game er spielt. Diese Entscheidung dem Spieler vorwegzunehmen, führt in der Regel dazu, dass der Spieler etwas anderes spielt», so der Lerntherapeut.
Sogar Handygames machen schlau
«Es gibt heutzutage ausserordentlich viele Spiele und Genres. Man muss gar nicht besondere Games herauspicken, die einem bestimmten Zweck dienen. Das Lernen geschieht sozusagen nebenbei», ergänzt Martin Lorber. Mit ihrem neuen Buch richten sich die beiden Co-Autoren vor allem an Lehrbeauftragte an Hochschulen und Vorgesetzte: «Wir wollen darauf aufmerksam machen, welches immense Potenzial bei den jungen Gamern noch unerschlossen schlummert», so Lorber.
Wie Lerninstitute Computer- und Videogames in den Unterricht integrieren sollen, schreiben die Buchautoren nicht vor. Dies hänge stark von der Persönlichkeit der Lehrkraft und dem didaktischen Konzept ab, sagt Thomas Schutz.
Auch gebe es keinen Unterschied, ob Lernende am PC, an der Konsole oder mit dem Handy spielen würden, meint Martin Lorber. Durchaus möglich also, dass an Schulen, in Unis oder am Arbeitsplatz mit dem Segen von Lehrbeauftragten und Vorgesetzten künftig «GTA» , «Call of Duty» oder «Angry Birds» gespielt wird.

Gaming für Studium und Beruf: Warum wir lernen, wenn wir spielen
Martin Lorber, Thomas Schutz
hep verlag 2016
ISBN 978-3-0355-0466-8
23 Franken
auch als E-Book erhältlich