Italien im «Sumpf»Berlusconi kämpft gegen Neuwahlen
Italiens geschwächter Premierminister Silvio Berlusconi verspricht den Italienern politische Stabilität im neuen Jahr. Und will auf jeden Fall Neuwahlen verhindern.
«Italien braucht keine vorgezogene Parlamentswahlen, die das Land unvorhersehbaren Risiken aussetzen würden», sagte Berlusconi in einem Interview. In dem Gespräch mit dem TV-Sender «Canale 5» vom Freitag wünschte er seinen Landsleuten viel Glück und Erfolg im neuen Jahr.
Das Parlament habe jüngst «um die Stabilität zu sichern» zwei Misstrauensanträge abgelehnt, die «unvorsichtigerweise» von der Opposition eingereicht worden seien.
«Von der katholischen Kirche bis zu den Unternehmern, alle bitten uns, dem Land Neuwahlen zu ersparen. Im Parlament wird es die Bedingungen für die Umsetzung unseres Programms geben», sagte der Premierminister.
Werben um abtrünnige Politiker
Der 74-jährige Berlusconi bemüht sich um eine Ausdehnung der Regierungskoalition und hofft auf den Übertritt mehrerer Parlamentarier aus der Opposition zu seinem Mitte-rechts-Block. Aus Regierungskreisen verlautete, dass Berlusconi die Werbeaktion, um zusätzliche Abgeordnete zu gewinnen, nun ausgedehnt habe.
Hoffnungsträger seien nicht mehr nur die oppositionelle christdemokratische UDC, sondern auch Politiker aus Linksparteien. Einige katholische Parlamentarier der oppositionellen Demokratischen Partei (PD) seien zum Einstieg ins Regierungslager bereit, hiess es in Rom.
Pessimistischer Bossi
Der Chef der mit Berlusconi verbündeten rechtspopulistischen Regierungspartei Lega Nord, Umberto Bossi, sieht die Lage pessimistischer. Die von Berlusconi propagierte Mehrheit in der Abgeordnetenkammer gebe es de facto nicht.
Italien stecke in einem «Sumpf», aus dem man nur mit Neuwahlen ausbrechen könne, meinte Bossi. «Wenn Berlusconi einen Fehlschritt macht, stürzt er in den Sumpf. Er meint aber, er kann im Sumpf schwimmen», sagte Bossi am Freitag. (sda)
Berlusconi und die Justiz
Zwei Strafverfahren sind gegen Silvio Berlusconi noch hängig:
Korruption: 1998 soll er seinem britischen Anwalt David Mills 600 000 US-Dollar bezahlt haben, damit dieser in Prozessen gegen seinen Medienkonzern Fininverst Falschaussagen macht. Im Februar 2009 wurde Mills deshalb zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Er hat das Urteil angefochten.
Steuerbetrug und Unterschlagung: Berlusconi wird ausserdem verdächtigt, Rechte amerikanischer Filme zu Marktpreise erworben und dann an seine Firma Mediaset zehnmal teurer verkauft zu haben. Die Differenz sei auf Offshore-Konten von Mediaset-Managern einbezahlt worden.
Bilanzfälschung aus dem Jahr 2002: Damals liess ein Gericht nach langen Beratungen als verjährt fallen. Angeblich hatte Berlusconi als Präsident des Fussballclubs AC Mailand 1992 den Millionentransfer für einen Spieler teils mit Schwarzgeld bezahlt und zu niedrig deklariert.
Korruption beim Kauf des Buchverlags Mondadori stellten die Richter 2001 wegen Verjährung ein. Angeblich hatte Berlusconi die römische Justiz bestochen.
Unregelmässigkeiten beim Kauf eines privaten Grundstücks freigesprochen. Wegen Verjährung und Amnestie entfiel jede weitere Strafverfolgung.
illegaler Parteienfinanzierung verurteilte ein Gericht Berlusconi 1998 zu 28 Monaten Haft. Ein Jahr später wurde das Urteil aufgehoben. In der Sache ging es um Zahlungen von damals umgerechnet 20 Millionen Mark (rund 15,5 Millionen Franken) auf schwarze Konten des ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi.
Schmiergelder an Steuerprüfer gezahlt, endete 1998 mit Berlusconis Verurteilung zu 33 Monaten Haft. In einem Berufungsverfahren im Jahr 2000 wurde der damalige Oppositionschef aber freigesprochen.
Bilanzfälschung beim Erwerb der Filmverleihfirma Medusa in den 1980er Jahren verurteilte ein Gericht Berlusconi 1997 zu 16 Monaten Haft. Im Jahr 2000 wurde er wegen «erwiesener Unschuld» freigesprochen.
Meineids verurteilt. Das Urteil wurde in einer Berufungsverhandlung bestätigt, verfiel aber wegen einer Amnestie.