Altes Handwerk: Berner Plattenschneider lebt vom Vinyl-Boom

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Altes HandwerkBerner Plattenschneider lebt vom Vinyl-Boom

Die Schallplatte erlebt derzeit ein Revival. Dies freut den Berner Plattenhersteller Adi Flück besonders: Nun kann er von seinem raren Handwerk leben.

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sda / miw

Im Video sehen Sie Adi Flück bei seiner Arbeit. (miw)

Weltweit gibt es nur noch etwas über 300 Schneidmaschinen, die Musikplatten herstellen. Ein Exemplar aus den 70er Jahren steht im Berner Mattenquartier, betrieben von Adi Flück. Der Berner ist Ingenieur für Mastering und Schallplattenschnitt – und derzeit mit Aufträgen völlig ausgelastet. «Vinyl ist am boomen, das Handwerk ist gefragt wie noch nie», sagt Flück.

Flück ist einer der wenigen Vertreter einer jungen Cutter-Generation. So freut er sich nicht nur über die Wiederauferstehung der Schallplatten und die Rückgewinnung der «guten alten Tonqualität», sondern auch über die viele Arbeit. Der gelernte Tontechniker schneidet zwar schon seit 10 Jahren Platten, doch erst seit kurzer Zeit hauptberuflich.

Die Leidenschaft für Vinyl hegt der gebürtige Brienzer schon seit geraumer Zeit: «Hereingerutscht» ist Flück durch seine Freunde, die 2001 in Delhi günstig eine Plattenschneidmaschine erwarben und in Bern unter dem Namen Centraldubs ein Studio für die primäre Anfertigung sogenannter Dubplates aufbauten. Dies sind Schallplatten-Einzelanfertigungen für DJs, etwa aus der Reggae-, Dub- oder Drum'n'Bass-Szene.

Seit die CDs zunehmend verschwinden, greifen aber auch immer mehr Mainstream-Musiker auf Vinyl zurück – auch weil «sich eine Schallplatte als Alternative nach Konzerten ganz einfach besser verkaufen lässt als ein USB-Stick», erklärt Flück.

Züri West und Yello als Kunden

So gehen in Flücks Studio nicht mehr nur DJs, Indie-Bands und Vertreter heimischer Underground-Labels ein und aus. Auch grosse Bands wie die Berner Band Züri West oder das Zürcher Elektropop-Duo Yello klopfen an und wollen ihren Sound fachmännisch gemastert und auf Vinyl gepresst bekommen.

Ob die Platte dank der grossen Nachfrage nun vor dem Aussterben gerettet ist, kann Flück nicht sagen – es ist ihm eigentlich auch egal. Er hatte sich beim Aufkommen der CD bereits abgefunden, dass die Schallplatte nun nach und nach vom Markt verschwinden wird.

Nun ist aber alles anders gekommen: In Grossbritannien, so berichteten Medien Ende 2016, überstiegen die Verkaufszahlen von Schallplatten erstmals die Ausgaben für digitale Downloads. In der Schweiz ist die Zahl der umgesetzten Schallplatten laut «Tages-Anzeiger» seit 2006 von 20'000 auf über 150'000 gestiegen. Laut Flück bestimmen schliesslich wohl die jetzigen Teenager, wie lange die Platten noch auf dem Markt bleiben werden. «Ist Vinyl auch bei der heranwachsenden Generation begehrt, kann unsere Branche noch lange überleben», sagt der Fachmann.

Umgekehrter Plattenspieler

Derzeit fehlt es aber noch an genügend ausgebildeten Platten-Ingenieuren: «Es gibt wenige, die das Handwerk noch beherrschen.» Zudem ist die ganze Praxis schwierig, täglich muss auch Fachmann Flück noch Neues dazulernen. Ganz einfach erklärt lässt sich der Vorgang mit dem Auflegen einer Schallplatte im heimischen Wohnzimmer vergleichen, nur dass Adi Flück anstelle eines fertiggestellten Werks eine noch unbespielte, aalglatte Lackplatte auf den Teller seiner Schneidmaschine legt. Eine leere Scheibe, auf die die Rillen und damit die Musik dann übertragen werden.

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