Kurden bespitzeltBerner Spion landete in Gefrierraum von Pizzeria
Kurden rechneten mit einem Landsmann ab, der sie für den türkischen Geheimdienst bespitzelte. Offenbar drohten sie ihm mit dem Tod – durch Erfrieren.
- von
- sul
Im Kanton Bern ist offenbar eine Spionage-Aktion aufgeflogen und eskaliert. Vier in der Schweiz lebende Kurden wurden im vergangenen Mai verhaftet und in Untersuchungshaft gesetzt. Sie sollen einen 37-jährigen kurdischen Asylbewerber, der für die Türkei als Maulwurf agiert haben soll, verletzt und im Tiefkühlraum einer Pizzeria eingesperrt haben, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Mit der Folter-Aktion sei ein Geständnis aus ihm herausgepresst worden.
Bei der Berner Staatsanwaltschaft läuft Strafverfahren gegen mehrere Personen wegen Verdachts auf Freiheitsberaubung, Nötigung, Drohung und Körperverletzung. Für die mutmasslichen Täter gilt die Unschuldsvermutung.
Hinweise für Spitzel-Aktivitäten
Die Darstellungen der beiden Parteien zu den Ereignissen gehen auseinander: Der mutmassliche Spitzel spricht von einer fünfstündigen Gewaltorgie. Er sei verprügelt worden und man habe ihm mit dem Tod durch Erfrieren gedroht. Die Beschuldigten dagegen geben an, der Landsmann habe von sich aus seine Spionageaktivitäten zugegeben.
Wie die Zeitung weiter schreibt, gebe es deutliche Indizien, dass das mutmassliche Opfer im Dienste des türkischen Geheimdienstes MIT kurdische Landsleute ausspionierte. So sei er nachweislich in Kontakt mit dem Polizeihauptquartier der Stadt Diyarbakir im Südosten des Landes gestanden. Der Pizzaiolo soll gar dem MIT angeboten haben, hochrangige Vertreter der kurdischen Arbeiterpartei PKK aus dem Weg zu räumen.
Teilnahme an Anti-Erdogan-Demonstrationen
Zu den Hauptverdächtigen im Strafverfahren gehört der Ex-Pizzeria-Besitzer. Dessen Familie ist Mitglied im lokalen kurdischen Kulturzentrum und beteiligt sich bei Demonstrationen gegen die Erdogan-Regierung. Der kurdische Unternehmer, der sich seit Jahren in der Schweiz aufhält, hat seinerseits Strafanzeige wegen verbotenen Nachrichtendienstes erstattet.
Für die strafrechtliche Verfolgung von Spionage ist die Bundesanwaltschaft zuständig. Diese hat zwar kein Strafverfahren eröffnet, allerdings laufen Vorabklärungen bei der Staatsschutzabteilung.
Für Leute, deren Namen wegen Spitzeln und Denunzianten auf Fahndungslisten des türkischen Staates stehen, kann es bei einer Reise in die Türkei gefährlich werden. So kommt es immer wieder vor, dass in der Schweiz lebende Kurden, linksgerichtete Türken und Anhänger der islamisch-konservativen Gülen-Bewegung dort verhaftet, festgehalten und mit Ausreisesperren belegt werden.
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