Transparenz-Initative: Bezahlte Reisen für Ärzte werden ab Juni öffentlich

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Transparenz-InitativeBezahlte Reisen für Ärzte werden ab Juni öffentlich

Von welchen Pharmafirmen lässt sich ein Arzt Flug, Hotel und Kongresskosten bezahlen? Das soll für alle nachlesbar werden. Aber nicht alle Ärzte machen mit.

Isabel Strassheim
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Isabel Strassheim

Welche Geschenke die Pharmaindustrie Ärzten und Apothekern in der Schweiz machen darf, ist streng geregelt: Schlüsselanhänger oder Stifte mit Firmenlogo, die an Veranstaltungen aufliegen, sind seit 2015 verboten. Auch die Teilnahme an Kongressen und die Spesen hierfür müssen Ärzte und Apotheker mindestens zu je einem Drittel selbst bezahlen. Ab dem 20. Juni wird nun von den Firmen auch die genaue Summe veröffentlicht, die sie an einzelne Ärzte hierzu gezahlt haben. «Patienten können dann im Internet nachschauen, wie viel Geld Ärzte, Apotheker oder Spitäler von einer Pharmafirma bekommen haben», sagt Jürg Granwehr zu 20 Minuten. Er ist beim Verband Scienceindustries für die Umsetzung der Transparenz-Initiative zuständig.

Das Projekt hat allerdings einen Haken: Die betroffenen Ärzte und Apotheker müssen der Veröffentlichung zustimmen, sonst gilt ihr Datenschutz. «Niemand kann zur Zustimmung gezwungen werden», sagt Granwehr. Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH ist allerdings klar für die Offenlegung: «Wir erhoffen uns mehr Transparenz und Unabhängigkeit», sagt FMH-Präsident Jürg Schlup zu 20 Minuten.

Nur wenig Ärzte haben Angst vor der Durchleuchtung

Ärzte-Verbände geben zudem die Empfehlung ab, dass Firmen in Zukunft nicht mehr mit Ärzten oder Apothekern zusammenarbeiten, wenn diese eine Veröffentlichung der empfangenen Zahlungen ablehnen. Aufgeschlüsselt wird bei einer Offenlegung auch, ob das Geld für Dienstleistungen und Beratungen im Rahmen der Forschung oder für die Teilnahme an Kongressen gezahlt wurde.

«Die Zustimmungsrate für die Offenlegung ist bislang im Vergleich zu verschiedenen Nachbarländern in der Schweiz ermutigend», sagt Granwehr. Die Initiative gilt nämlich für ganz Europa. In der Schweiz sollen rund zwei Drittel der betroffenen Ärzte zugestimmt haben.

Ändert die Offenlegung die Verschreibungspraxis?

Was die neue Transparenz tatsächlich bringt, ist ungewiss. Die Offenlegung soll dem Verdacht entgegentreten, Ärzte würden bestimmte Medikamente wegen empfangener Zahlungen verschreiben. Es gibt allerdings Ärzte, die befürchten, dass im Gegenteil die Vorurteile dadurch nur bestätigt werden.

Gegen eine bezahlte Zusammenarbeit von Ärzten und Pharmaindustrie ist laut Novartis nicht unbedingt etwas einzuwenden: «Sie ist für die Erforschung und Entwicklung neuer Behandlungen und Therapien unerlässlich», stellt der Pharmariese klar. Gerade deswegen setzt sich der Konzern auch für die neue Initiative ein.

Vorbild für die Transparenz-Initiative ist der Payment Sunshine Act in den USA, der seit 2013 gilt. In Europa will die Industrie mit ihrer Selbstverpflichtung allerdings einer Transparenzpflicht per Gesetz zuvorkommen. Eine Studie in den USA, zeigt jedoch , dass sich die Verschreibungspraxis die gleiche geblieben ist: Bei Medikamenten wie bestimmten Blutdrucksenkern oder Antidepressiva, bei denen das Marketing eine grosse Rolle spielt, weil es viele Anbieter für denselben Wirkstoff gibt, hat sich mit dem US-Gesetz nichts geändert.

Bestechungsklagen gegen Novartis in den USA

Auf die Zeit noch vor dem Sunshine Act bezieht sich eine aktuelle US-Klage gegen den Schweizer Pharmariesen Novartis. Der Vorwurf: Zwischen 2002 und 2011 sollen Ärzte von Novartis zu 80'000 Anlässen in Luxus-Restaurants oder Bars eingeladen worden sein. Die Ärzte sollten auf diese Weise dazu gebracht werden, Herzkreislauf-Medikamente von Novartis zu

verschreiben.

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