Besuch der Zahnfee«Bis zu 70 Franken pro Milchzahn liegen drin»
Die Zahnfee ist hierzulande gern gesehen, wie Zürcher Forscher zeigen. Aber sie ist nicht immer gleich grosszügig.
- von
- Fee Riebeling
Zahnmediziner forschen zum menschlichen Gebiss, zu Krankheiten und möglichen Therapien. Das macht Raphael Patcas, Facharzt für Kieferorthopädie am Zahnmedizinischen Zentrum der Universität Zürich, für gewöhnlich auch. Doch nun hat er für einmal mit Entwicklungspsychologen gemeinsame Sache gemacht – und sich mit den Besuchen der Zahnfee beschäftigt.
Für die in der Weihnachtsausgabe des «Medical Journal of Australia» veröffentlichte Studie werteten die Forscher die Daten von 1274 Kindern aus Zürich aus, die gerade ihren ersten Zahn verloren hatten. Deren Eltern hatten Auskunft darüber gegeben, was bei ihnen zu Hause passiert, wenn die Milchzähne ausfallen.
Herr Patcas, warum haben Sie sich mit dem Zahnwechsel beschäftigt?
Kinder wachsen fortwährend. Aber lange Zeit sind sie sich nicht bewusst, dass sich ihr Körper verändert. Die erste körperliche Veränderung, die sie wahrnehmen, ist der Zahnwechsel – der Verlust eines Körperteils. Obwohl es sich um ein einschneidendes Erlebnis für das Kind handelt, ist dieser Entwicklungsschritt kaum erforscht. Diese Lücken wollen wir schliessen. Wir erhoffen uns, so unsere kleinen Patienten besser zu verstehen und letztendlich auch besser zu betreuen.
Wie das?
Unsere Daten weisen unter anderem darauf hin, dass Herkunftsland oder Religion einen Einfluss haben können, ob ein Kind eher mit Stolz oder mit Angst auf den Zahnverlust reagiert. Diese Erkenntnisse sind im Rahmen der schulzahnärztlichen Betreuung von grosser Bedeutung.
Ist die Zahnfee hierzulande überhaupt ein Thema?
Absolut. Der erste Zahnwechsel geschieht in einem Alter, in dem magisches Denken bei Kindern stark ausgeprägt ist. Wohl deshalb werden viele Rituale um den Zahnwechsel gepflegt, wobei hierzulande die Zahnfee klare Favoritin ist. Es zeigte sich, dass fast drei Viertel der Kinder Besuch von der Zahnfee bekommen und dies sogar, obwohl nur knapp die Hälfte tatsächlich an die Zahnfee glaubt.
Damit ist der Glaube an die Zahnfee ähnlich verbreitet wie jener an religiöse Fantasiewesen wie den Weihnachtsmann, das Christkind oder den Osterhasen. Im Vergleich glauben Kinder viel häufiger an die Zahnfee als an andere magische Figuren wie Einhörner, Hexen und Monster.
Was macht die Zahnfee genau?
Normalerweise tauscht sie den Milchzahn gegen Geld ein (55,8 Prozent) oder legt das Geld neben den Zahn (40,7 Prozent). Ganz selten nimmt sie den Zahn, ohne zu bezahlen (0,9 Prozent). Gelegentlich gibt es etwas anderes wie einen «Kinobesuch mit Popcorn» oder sie hinterlegt ein «Brieflein der Zahnfee».
Was hat Sie am meisten überrascht?
Der Betrag, den die Zahnfee für einen Milchzahn gibt. Im Schnitt liess die Zahnfee 7.20 Franken zurück, wobei sie in einem Fall sogar 70 Franken unter das Kissen legte. Dabei ist schon der Durchschnittsbetrag im internationalen Vergleich viel: In den USA liegt der Schnitt umgerechnet bei 3.10 Franken, in Grossbritannien bei 1.90 Franken. Mit 20 Milchzähnen pro Gebiss kann der Zahnwechsel also ganz schön lukrativ sein.
Berücksichtigt die Zahnfee, ob die Zähne regelmässig und gut geputzt werden?
Nein, gutes Benehmen oder regelmässiges Zähneputzen ist der Zahnfee egal. Aber sie hat Präferenzen: So besucht sie Buben öfter als Mädchen, Ältere öfter als Jüngere und bevorzugt jene, die an sie glauben. Dieses Ergebnis hat uns überrascht. Wir gingen davon aus, dass die Zahnfee keine Präferenzen hat.
Ihre Studie hat den ersten Platz im Weihnachtswettbewerb des Journals gewonnen. Herzlichen Glückwunsch. Doch was bedeutet das?
Für die Christmas Competition werden Forschungsarbeiten ausgesucht, die originell und schrullig sind, zugleich aber auch den strengen ethischen Forschungsgrundsätzen und Publikationsrichtlinien Folge leisten. Gewonnen zu haben, bedeutet uns viel, denn das heisst: Der Leser erfährt in unserer Studie Neues und wird zugleich auch unterhalten.
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