PK Bistum St. Gallen «Ich habe Fehler gemacht und das tut mir leid»
Am Dienstag wurden Forschungsergebnisse der Universität Zürich bekannt, die über 1000 Fälle sexueller Misshandlungen im Umfeld der katholischen Kirche identifiziert hat. Betroffen ist auch das Bistum St. Gallen. Nun nimmt Bischof Markus Stellung.
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Stellungnahme von Bischof Markus zu Vorwürfen von sexuellen Misshandlungen gegenüber der katholischen Kirche.
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Zusammenfassung
Das Bistum St. Gallen hat am Mittwoch zu den Ergebnissen der Studie zum Missbrauchsskandal der katholischen Kirche Stellung genommen. Bischof Markus Büchel gab an der Medienkonferenz bekannt, dass gegen einen Priester mit Pseudonym E.M. auf kirchlicher Ebene eine Voruntersuchung eingeleitet sowie auf rechtsstaatlicher Ebene eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht wurde.
Der Bischof sagte, er selbst wisse nicht, wer E.M. sei. Dies, obwohl er 2010 mit E.M. eine Messe gefeiert hatte. «Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe schon so viele Messen gehalten», sagte der Bischof zu den Medien. Der Fall E.M. sei damals falsch beurteilt worden. «Man hätte damals die Polizei einschalten sollen.» Das habe man fälschlicherweise nicht getan. Die Vorwürfe gegen E.M. wurden noch unter Büchels Vorgänger Bischof Ivo Fürer erhoben. Darauf nahm ein Fachgremium seine Arbeit auf. Die Vorwürfe wurden allerdings damals entkräftet. Der aktuelle Bischof sei davon ausgegangen, dass der Fall erledigt sei. «Ein Fehler», sagte Bischof Markus Büchel am Mittwoch und entschuldigte sich bei allen Betroffenen.
Der Fall wird nun erneut untersucht werden. «Sollte sich herausstellen, dass ein Rücktritt meinerseits angebracht ist, trete ich zurück», sagte der Bischof. «Das verspreche ich Ihnen.» Auch will man aus begangenen Fehlern lernen. Zum Beispiel sollen Akten nicht mehr nach zehn Jahren vernichtet werden. «Es braucht eine schonungslose Aufarbeitung bei Missbräuchen.»
Für Vreni Peterer, selbst Betroffene eines Missbrauchs durch einen Priester, erscheint im Fall E.M. die Einberufung des damaligen Fachgremiums eine Alibi-Übung gewesen zu sein. «E.M. muss suspendiert werden. Das ist meine persönliche Forderung», so Peterer am Mittwoch.
Die Medienkonferenz ist zu Ende
Vreni Peterer schliesst mit ihren Worten die heutige Medienkonferenz.
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«Ich kämpfe für eine Kirche, ohne Missbrauch»
«Ich kämpfe nicht gegen die katholische Kirche. Ich bin auch noch in der katholischen Kirche. Aber ich kämpfe für eine Kirche, ohne Missbrauch», sagt Vreni Peterer.
Anzeige muss bei der Polizei erfolgen
«Gibt es kirchenrechtlich einen Punkt, dass man staatliche Behörden einschalten muss?», wird gefragt. «Ja», so der Bischof. Bei Missbrauchsfällen müsse seitens Kirche Strafanzeige bei der Polizei eingereicht werden. Das habe er im Fall E.M. damals fälschlicherweise nicht gemacht.
Bischof hat mit E.M. Gottesdienst abgehalten. Weiss er nichts mehr?
«Ich kann mich daran nicht mehr erinnern. Ich habe seit jeher unzählige Gottesdienste abgehalten», so der Bischof. Vreni Peterer versteht den Bischof, auch weil in der Studie alle Personen stark anonymisiert wurden.
«Das war ein Fehler»
Der Fall E.M. ist der einzige, bei dem der Bischof nicht die Massnahmen des Fachgremiums eingeleitet hat. «Ich dachte damals, der Fall sei abgeschlossen. Das war ein Fehler», so der Bischof.
Strafanzeige läuft gegen unbekannt
E.M. ist ein Pseudonym. Deshalb wurde die Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht.
Ist E.M. noch in der Seelsorge?
Der Bischof kennt E.M. selbst nicht. «Dazu kann ich nichts sagen, es ist Fall einer laufenden Untersuchung.»
«Bei entsprechenden Ergebnissen trete ich zurück»
Ein Medienschaffender stellt die Frage, weshalb der Bischof nicht zurücktritt. «Ich möchte die Voruntersuchung abwarten. Sobald diese durch ist, und sich herausstellen, dass ein Rücktritt angebracht ist, trete ich zurück. Das verspreche ich Ihnen», so der Bischof.
Fragerunde ist eröffnet
Jetzt haben die Medienschaffenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Erfreut über Bistum St. Gallen
«Ich bin sehr erfreut über das Bistum St. Gallen», sagt Vreni Peterer und bezieht sich auf die «tolle» Begleitung des Bistums. Dort traf sie auf offene Ohren, denen sie sich anvertrauen konnte.
Worte zur Betroffenen-Organisation IG-MikU
Vreni Peterer setzt sich in der Organisation IG-MikU für Betroffene ein. «Sie entstand auf Initiative von Albin Reichmuth. Er hat es mir erleichtert, mit meiner Geschichte in die Öffentlichkeit zu gehen», so Bruderer.
Enttäuscht von ehemaligem Bischof Ivo Fürer
Peterer bezieht sich auch auf den Priestermangel. «Es darf kein Kriterium sein, um nicht zu handeln. Das würden wir nicht akzeptieren.» Sie äussert auch ihre Sorge darüber, dass E.M. noch in der Seelsorge tätig ist. «Er muss suspendiert werden. Das ist meine persönliche Forderung.» Vreni Peterer ist zudem enttäuscht vom Bischof Ivo Fürer, dem Vorgänger von Bischof Markus Büchel. «Er hat zwar als erstes ein Fachgremium ins Leben gerufen. Aber das er dem Fachgremium nicht Folge geleistet hat, enttäuscht mich. Es kommt mir heute vor, wie eine Alibi-Übung.»
«Alle standen bei mir unter Generalverdacht»
Sie habe bis vor ein paar Jahren sämtliche kirchliche Mitarbeiter unter Generalverdacht gestellt. Nach vielen Gesprächen mit Personen des Fachgremiums konnte ihr Vertrauen wieder gestärkt werden. «Die kirchlichen Personen, die nichts gemacht haben, leiden wegen des Generalverdachts und sind ohnmächtig in ihrer Rolle», so Peterer. Sie bedankt sich beim Bischof dafür, dass er seinen Fehler eingesehen hat.
Vreni Peterer setzt sich als Betroffene für Betroffene ein
Vreni Peterer wurde als Mädchen in den 70er-Jahren von einem Priester vergewaltigt und spricht heute öffentlich darüber und setzt sich für Betroffene ein.

Stellungnahme Bischof Markus zu Vorwürfen von sexueller Misshandlungen gegenüber der katholischen Kirche
«Wir müssen lernen, eine Klagemauer zu sein»
Die Präventionsarbeit umfasst auch, das Vertrauen wieder aufzubauen. Betroffene werden oft in ihrem Glauben erschüttert, sagt Kreissl. «Wir müssen lernen, mit der öffentlichen Stigmatisierung zu leben und eine Klagemauer zu sein für die Betroffenen. Wir müssen aufhören, die Kirche zu schützen.»
«Wir müssen dran bleiben»
Kreissl spricht davon, dass Prävention ein wichtiger Bereich ist. Diese Arbeit übernimmt aber nicht das Fachgremium, sondern fällt in den Bereich von Franz Kreissl. Auch für die geistliche Gewalt soll es eine Anlaufstelle geben, die noch geschaffen wird. «Die Prävention ist auch ein wichtiger Teil in der Berufseinführung», so Kreissl. Seit Mitte der letzten Dekade sei dies zum Thema geworden. «Prävention ist eine Dauerarbeit. Wir müssen dran bleiben und immer an dieses Thema erinnern.»
Das Wort geht an Franz Kreissl
Franz Kreissl ist Leiter des Pastoralamts und Präventionsbeauftragter vom Bistum St. Gallen.
Akten wurden nach 10 Jahren vernichtet
Alle Bischöfe haben sich verpflichtet, Akteneinsicht zu gewähren, sagt der Bischof. Er bezieht sich aber noch auf das Problem, dass die Akten alle zehn Jahren vernichtet werden dürfen. Jetzt sollen die Akten aufgrund einer Selbstverpflichtung aber nicht mehr vernichtet werden. «Hier gibt es bis nach Rom Veränderungen. Auch dort muss der Schutz der Betroffenen Auswirkungen haben», sagt der Bischof. «Ich setze mich mit allen Bischöfen dafür ein, Missstände aufzudecken und für Betroffene da zu sein.»
Trotz Bischofmangel müssen harte Massnahmen ergriffen werden
Neu werden schweizweit professionelle Angebote für die Betroffenen angeboten. «Wir sind auch froh, dass wir heute hier die Betroffenenorganisation IG-MikU begrüssen dürfen», sagt der Bischof. «Es ist auch schwierig in einer Zeit des Priestermangels, solch harte Massnahmen zu ergreifen, ist aber absolut notwendig. Wir dürfen aber trotzdem nicht Täter einfach versetzen, was bis anhin leider oft passiert ist», so Büchel.