Blazers TranskriptBlatter kann aufatmen – für den Moment
Die Niederschrift von Chuck Blazers Schuldgeständnis aus dem Jahr 2013 enthält keinen erkennbaren Hinweis auf eine Mitschuld des Fifa-Präsidenten.
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Fast einen ganzen Tag lang wartete die Weltpresse auf den Moment der Wahrheit. Als das US-Bundesgericht in Brooklyn erst nach 15 Uhr Ortszeit das Transkript von Charles «Chuck» Blazers Schuldgeständnis veröffentlichte, war die Enttäuschung indes gross: Es enthielt nichts, was den zurücktretenden Fifa-Präsidenten Sepp Blatter rechtlich direkt gefährden würde.
Das Dokument ist die Niederschrift einer Gerichtssitzung vom 25. November 2013 in Brooklyn. Darin bekennt sich der frühere Fifa-Obere und Kopf des amerikanischen Fussballs schuldig, mehrfach Bestechungsgelder einkassiert zu haben. Er habe an einer Verschwörung teilgenommen, um sich im Zusammenhang mit der Wahl Südafrikas zum Weltcup-Austragungsort von 2010 zu bereichern. Auch im Rahmen der WM-Vergabe an Frankreich 1998 sollen Bestechungsgelder geflossen sein.
«Gibt es noch etwas?»
Schmiergelder, so gestand Blazer, habe er auch im Zusammenhang mit Anlässen des Gold Cup zwischen 1993 und 2003 organisiert. Die Aussagen im Geständnis entsprechen insgesamt jenen Fakten, die das US-Justizministerium vergangenen Mittwoch in einem 35-seitigen Informationspapier dargelegt hat. Aufgezählt werden daneben die hohen Freiheits- und Geldstrafen, die Blazer im schlechtesten Fall drohen.
Gegen Schluss enthält das 40 Seiten umfassende Transkript an vier Stellen eingeschwärzte Passagen. Vor der ersten steht die Frage des Richters Raymond Dearie: «Gibt es noch etwas?» Während der ganzen Verhandlung wird jedoch nie ein anderer Name als der Blazers genannt.
Der Eckstein der Untersuchungen
Sollte Sepp Blatter dereinst vor Gericht kommen, trägt Chuck Blazer dafür trotzdem viel Verantwortung. Seine Aussagen bilden den Eckstein für die Untersuchung des Weltfussballverbands Fifa durch die US-Justiz.
Blazer brachte die Untersuchung in Fahrt, als er mit seinem motorisierten Trottinett im November 2011 die Fifth Avenue in Manhattan hinunterrollte und von Fahndern der US-Justiz angehalten wurde. Nur weil er später plauderte und kooperierte, konnten die US-Ermittler die Fifa-Korruption aufdecken. «Blazer war von wesentlicher Bedeutung – er ist der zentrale Baustein der ganzen Untersuchung», sagte der Anwalt John Lauro der «New York Daily News».
Ermittlungen gegen die Spitze
Lauro arbeitete früher selbst in der zuständigen Staatsanwaltschaft in Brooklyn. Er sagte, die Ermittler hätten andere Gefügige und bewegten sich jetzt so schnell wie möglich in der Fifa-Hierarchie nach oben. «Ich nehme an, die Botschaft ist ausgegeben: Jetzt ist der Zeitpunkt, sich zu melden und gegen den Top-Mann zu kooperieren.»
Die «Los Angeles Times» fasst zusammen, was die «Daily News» und «Buzzfeed» in zwei Porträts über Blazer zusammengetragen haben. Der heute schwerkranke 70-Jährige reiste 1989 als Arbeitsloser nach Trinidad und Tobago, wo er Jack Warner ermutigte, sich mit ihm als Wahlkampfmanager um die Präsidentschaft des amerikanischen Fussballverbands CONCACAF zu bewerben. Warner gewann.
6000 Dollar für Katzenwohnung
Danach liess es sich Blazer im Dienst des Verbands extrem gut gehen. Wo er nur konnte, sahnte er zehn Prozent ab. Zwischen 1992 und 2011 strich er 22 Millionen Dollar ein. CONCACAF kaufte für ihn Wohnungen in New York, Miami und auf den Bahamas. Der Verband zahlte auch die Miete für ein 6000-Dollar-Apartment in Manhattan, wo Blazers Katzen hausten. Über seine Abenteuer berichtete er in seinem früheren Blog «Travels with Chuck Blazer».
Jack Warner, der einstige Kumpan des Amerikaners, kann Sepp Blatter gefährlich werden, falls er seine Schmiergeldpraktiken eingesteht. Das glaubt ein Informant der «Daily News», der die laufende Untersuchung gut kennt. Die andere Person sei der französische Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke.
Werde die Fifa-Nummer zwei angeklagt, habe Blatter ein Problem, sagt der Informant. «Es gibt zwei Männer, die Blatter kriegen können – Warner und Valcke.»