Massaker in NorwegenBlauäugige Behörden machten es Breivik leicht
Sowohl Polizei als auch Geheimdienst haben beim Doppelanschlag in Norwegen im vergangenen Jahr versagt. So stehts im Bericht der zuständigen Untersuchungskommission.

Eine unabhängige Untersuchungskommission stellt in Oslo ihren Bericht zum Massaker vom 22. Juli 2011 vor.
Eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung der Anschläge von Oslo und Utøya hat schwere Vorwürfe gegen Norwegens Polizei erhoben. Der Bombenanschlag im Regierungsviertel von Oslo hätte verhindert und das Massaker auf der Insel Utøya früher unterbrochen werden können.
Der Bericht zeige «mehrere grosse Schwächen» in der Reaktion auf die Anschläge auf. So habe etwa die Kommunikation zwischen verschiedenen Einheiten der Polizei nicht ausreichend funktioniert, sagte Kommissionsvorsitzende Alexandra Bech Gjorv. Sie übergab den Bericht am Montag an Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg.
Die Notrufzentralen seien zudem überlastet gewesen. Berichte von Augenzeugen, die Breivik nach den Anschlägen im Osloer Regierungsviertel gesehen hatten, wurden nicht an die richtige Stelle weitergeleitet. Wäre das geschehen, hätten seine Bluttaten schon eher gestoppt werden können, heisst es weiter.
Harte Warhheit
Der Bombenanschlag im Regierungsviertel, bei dem acht Menschen getötet wurden, hätte verhindert werden können, wenn bereits bestehende Sicherheitsmassnahmen effektiver angewendet worden wären, teilte die zehnköpfige Kommission mit.
Für die Zukunft rät die Kommission, den Verkauf von Waffen und Chemikalien schärfer zu kontrollieren, halbautomatische Waffen zu verbieten und die Teilnahme an terroristischer Ausbildung zu einer Straftat zu machen.
Die norwegische Polizei ist dem Expertenbericht zufolge viel zu spät gegen Breivik eingeschritten. Eine schnellere Reaktion der Polizei auf der Ferieninsel Utøya wäre möglich gewesen, heisst es in dem Bericht.
Polizeichef Oystein Maeland akzeptierte in einer ersten Reaktion die wichtigsten Punkte des Berichts. Es sei hart für die Hinterbliebenen, nun zu hören, dass eine bessere Arbeit der Polizei Leben hätte retten können. Regierungschef Stoltenberg sagte, der Bericht sei «ehrlich und ungeschminkt». Jetzt lägen die Fakten auf dem Tisch.
Mit Privatbooten auf Utøya
Bereits kurz nach den Anschlägen war die norwegische Polizei in die Kritik geraten. Zwischen der Bombenexplosion in Oslo und Breiviks Festnahme auf Utøya vergingen mehr als drei Stunden, obwohl Breiviks Name den Sicherheitsbehörden bereits bekannt war. Auf Utøya feuerte Breivik rund eineinviertel Stunden lang auf die Teilnehmer des Jugendlagers, bevor er festgenommen werden konnte.
Laut dem Bericht vergingen 35 Minuten zwischen dem Eintreffen der ersten Polizisten aus einem örtlichen Kommissariat am Festlandufer gegenüber von Utøya und der Ankunft von Spezialeinheiten auf der Insel. Dieser Zeitverlust sei «inakzeptabel».
Während die ersten beiden Polizisten laut Regelwerk alles hätten unternehmen müssen, um auf die Insel zu gelangen, blieben sie auf dem Festland - sie gaben an, kein Boot gefunden zu haben.
Als Angehörige der Polizei-Sondereinheit Delta aus dem 40 Kilometer entfernten Oslo schliesslich versuchten, auf die Insel zu gelangen, fiel ihr überladenes Schlauchboot aus. Die Polizisten mussten daraufhin auf zwei Privatboote umsteigen.
Alle Informationen erhalten
Ministerpräsident Stoltenberg hatte vor einem Jahr die zehn Mitglieder der Kommission benannt und ihnen den Auftrag auf den Weg gegeben, ein «sichereres Norwegen» zu schaffen und die Fakten zu Breiviks Anschlägen auf den Tisch zu legen. Kommissionschefin Gjorv sagte, die Berichterstatter hätten alle erbetenen Informationen erhalten.
Breivik hatte im Juli vergangenen Jahres insgesamt 77 Menschen getötet. Noch in diesem Monat soll das Urteil gegen ihn gesprochen werden. (sda)