Drogenkrieg in JamaikaBösewicht oder Held?
Christopher «Dudus» Coke ist in den Augen des US-Justizministeriums einer der gefährlichsten Drogenbosse der Welt. Für seine Landsleute ist er ein Held.
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Jamaikanische Sicherheitskräfte haben am Montag einen Grossangriff auf ein Viertel der Hauptstadt Kingston gestartet, in dem sich der mächtige Drogenbaron Christopher «Dudus» Coke verschanzt haben soll. Hunderte Beamte lieferten sich erbitterte Gefechte mit Anhängern des mutmasslichen Waffenhändlers und Drogenbosses im Stadtteil Tivoli Gardens.
Christopher «Dudus» Coke ist eine kontroverse Person: Während er von den USA als skrupelloser Drogenbaron eingestuft wird, verantwortlich für den Anbau und Schmuggel von Marihuana und Kokain in der Karibik, Nordamerika und Grossbritannien, gilt er in seiner Heimat als eine Art Robin Hood.
Für die Bewohner von Tivoli Gardens, einem Armenviertel im Westen von Jamaikas Hauptstadt Kingston, ist der 40-jährige Coke gar ein Held. Ihnen gegenüber gibt er den grossen Wohltäter, sie schützen ihn im Gegenzug vor dem Zugriff der Polizei und den Sicherheitskräften – ein System à la Pablo Escobar in Kolumbien.
Coke spendet den Armen von Tivoli Gardens Nahrung. Er agiert auch mal als Mediator bei Streitigkeiten und kümmert sich darum, dass die Kinder zur Schule geschickt werden. Man nennt ihn liebevoll Presi, Bossy, Shortman oder einfach Dudus.
Titel vererbt
Dass Coke sich mit Händen und Füssen gegen eine Auslieferung in den USA wehrt, ist verständlich: Sein Vater, Lester Coke, Führer einer Gang namens Shower Posse, wurde 1992 in seiner Zelle unter mysteriösen Umständen ermordet, als er auf seine Auslieferung wartete. Gleichentags war Dudus Bruder Mark Coke begraben worden.
Dudus Coke übernahm nach dem Tod seines Vaters die Führung von Shower Posse. «Er wohnt im Slum und verkauft von dort aus Kokain. Er verhält sich wie ein Robin Hood», erklärt Anwalt David Rowe gegenüber dem Nachrichtendienst CNN. «Die Leute im Viertel haben nun Angst, dass Coke ausgeliefert wird. Wer wird sich um sie kümmern? Sie denken dann ‚Wer wird meinen Kindern was zu essen geben, wer wird meine Arztrechnung zahlen, wenn ich krank werde'.»
Coke erhält in seiner Heimat nicht nur die Unterstützung der Armen. Laut USA-Berichte, soll er auch Hilfe aus Regierungskreisen bekommen. Darum sei den US-Behörden die Auslieferung so wichtig, erklärt Rowe weiter. «Wenn er in Jamaika festgenommen wird, kommt er am nächsten Tag frei», lauten seine Befürchtungen. Die Situation in Kingston hatte sich in den vergangenen Tagen verschärft, nachdem Ministerpräsident Bruce Golding seinen Widerstand gegen die Auslieferung Cokes an die USA aufgegeben hatte.