Wegen GasleckBohrinseln in Nordsee evakuiert
In der Nordsee strömt unkontrolliert hochexplosives Gas aus einer Bohrplattform aus. Shell liess zwei benachbarte Bohrinseln evakuieren. Der WWF warnt vor potentiellen Todeszonen.

An der «Elgin»-Öl- und Gasplattform treten seit dem 25. März grössere Mengen hochexplosives Gas aus. (Archivbild)
Nach dem Leck an einer Gasplattform des französischen Total-Konzerns in der Nordsee vor Aberdeen hat sich die Situation verschärft. Der Energiekonzern Shell hat grosse Teile seines Personals von zwei benachbarten Bohrstationen vor der schottischen Ostküste abgezogen, teilte Shell am Dienstag mit.
Nach offiziellen Angaben strömte an der Plattform weiter unkontrolliert giftiges, hochexplosives Gas aus. An der Wasseroberfläche breitete sich ein Ölfilm aus.
Die Küstenwache errichtete um die leckgeschlagene Plattform eine Zwei-Meilen-Sperrzone für Schiffe und eine Drei-Meilen-Zone für Flugzeuge. Die Menge des ausströmenden Gases sei derzeit unklar, sagte ein Total-Sprecher.
Arbeiter in Sicherheit
Die «Elgin»-Plattform von Total war bereits am Sonntag geräumt worden, nachdem das Leck entdeckt worden war. Alle 238 Arbeiter sind in Sicherheit. Total kündigte an, «alle möglichen Massnahmen zu ergreifen, um das Leck zu identifizieren.» Nach Angaben des Unternehmens könnte es bis zu sechs Monate dauern, bis das Leck gestoppt ist.
Der Sprecher bezeichnete die Gefahr, dass die Plattform explodieren könne, als gering. «Aber man sollte nie nie sagen», betonte er. Er schloss auch eine Vergrösserung der Sperrzone nicht aus.
Nach Angaben des Total-Sprechers handelt es sich bei dem austretenden Stoff um ein Gas-Kondensat, das in flüssiger Form gefördert wird. Es sei entzündlich und potenziell auch explosiv. Die Auswirkungen auf die Umwelt seien jedoch deutlich geringer als etwa bei Erdöl.
Das Gas-Kondensat sei sehr leicht und verflüchtige sich. Allerdings könne es Wochen oder Monate dauern, bis das Leck gestopft sei. «Wir versuchen alles, um es unter Kontrolle zu bekommen», sagte der Unternehmenssprecher.
Erweiterte Sicherheitszone gefordert
Jake Molloy von der Gewerkschaft RMT, in der Bohrinsel-Arbeiter organisiert sind, hält eine Explosion für möglich. «Wenn es irgendwie einen Zündfunken gibt, könnte sein, dass wir eine komplette Zerstörung sehen», sagte er der BBC.
Die Gewerkschaft Unite forderte die Evakuierung aller Plattformen im Umkreis von fünf Meilen. Sie befürchtet ein Wandern der Gaswolke.
WWF warnt vor Todeszonen
Die deutsche Sektion des World Wide Fund For Nature (WWF) hat vor einem Kollaps des Ökosystems gewarnt. «Es scheint sich in diesem Fall um sogenanntes saures Gas zu handeln, das mit Schwefelwasserstoff angereichert ist», sagte WWF-Meeresschutzexperte Stephan Lutter.
«Bei einem, wie von Experten befürchteten, langandauernden Gasaustritt könnten Todeszonen in der Umgebung entstehen und das Ökosystem der Nordsee schädigen», sagte Lutter.
Umweltschützer kritisieren Gasförderung
Britische Umweltschützer kritisierten die Gasförderung in der Nordsee, für die Finanzminister George Osborne erst vor wenigen Tagen Steuererleichterungen in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt hatte. Das austretende Gas sei 20 Mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Grossbritannien müsse auf umweltfreundliche Technologien wie Wind und Sonne umstellen.
An der «Elgin»-Plattform förderte Total täglich neun Millionen Kubikmeter Gas, was drei Prozent der britischen Gesamtfördermenge von Erdgas entspricht. Zudem wurden an der Bohrinsel täglich 60'000 Barrel Leichtöl gewonnen, was rund 5,5 Prozent der britischen Gesamtfördermenge von Erdöl entspricht. Nach der Evakuierung der Plattform zog der Gaspreis an.
(sda)