Corona-StudieBringt es kaum etwas, Schulen zu schliessen?
Der Unterricht ist bis auf Weiteres ausgesetzt. Doch verhindert die Massnahme die Ausbreitung des Virus überhaupt? Forscher haben sich damit auseinandergesetzt.
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Am 13. März hat der Bundesrat die Schulen in der Schweiz geschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Während das ins Homeoffice verbannte Land mit der Massnahme ringt, wundern sich Forscher ob ihrer Effektivität. Sie bringe weniger als gedacht, fasst die «NZZ am Sonntag» die Studie vom 6. April zusammen.
Sie wurde im renommierten Journal «The Lancet» publiziert und kommt zum Schluss, dass es keine Beweise dafür gibt, dass Schulschliessungen bedeutend zur Eindämmung beitragen. Die Forscher halten jedoch auch fest, dass solche Beweise nur schwer zu erfassen seien, weil die Schulschliessungen immer Teil von Massnahmenpaketen seien und ihre Effektivität nicht isoliert werden könne.
Frühere Ausbrüche untersucht
Weil es diesbezüglich zum derzeit grassierenden Coronavirus und der von ihm verursachten Lungenkrankheit Covid-19 keine Daten gibt, nahmen die Forscher frühere Ausbrüche von ähnlichen Krankheiten ins Visier. Sie haben Berichte und Studien über die Wirksamkeit von Schulschliessungen während der Sars-Pandemie im Jahr 2003, dem Mers-Ausbruch 2013 sowie verschiedenen Grippewellen untersucht.
Laut einer untersuchten Studie sei während der Sars-Epidemie in China das verursachende Coronavirus an keiner Schule übertragen worden. Die folgenden Schulschliessungen hätten wenig gebracht, weil das Virus ohnehin kaum Kinder angegriffen habe. In einem anderen Bericht wurde festgehalten, dass im gleichen Zeitraum in Singapur Schüler auf Fieber getestet wurden, dies aber keinen einzigen Sars-Fall zutage gebracht habe.
Eine US-Studie zum Grossraum Seattle (USA) schätze, dass eine fünftägige Schulschliessung zu einer Übertragungsreduktion von Coronaviren von lediglich 5,6 Prozent geführt habe. Dies sei etwas weniger als beim Grippevirus H1N1 (7,6 Prozent), aber mehr als beim Grippevirus H3N2 (3,1 Prozent).
Zwei bis vier Prozent weniger Tote
Zahlen nenne eine britische Studie, die aber auf einem Modell zum Verhalten Sars-artiger Viren basiert und nicht auf Daten der aktuellen Pandemie. In ihr geben die Forscher an, dass durch Schulschliessungen zwei bis vier Prozent der Todesfälle verhindert werden könnten. Allerdings komme es in Schulen nur zu einer Zweitansteckung pro Fall, während es im gesellschaftlichen Schnitt 2,6 seien. Zudem werde in der Studie gewarnt, dass durch Schulschliessungen die Kontakte zwischen Personen in Haushalten zunehmen würden, was die Ansteckungsgefahr vergrössere.
In der «Lancet»-Studie wird festgehalten, dass Kinder gemäss bisherigen Erkenntnissen nur schwache oder keine Symptome zeigen, wenn sie an Covid-19 erkranken. Dies mache es weniger wahrscheinlich, dass sie andere durch Husten oder Niesen anstecken. Die Forscher weisen darauf hin, dass weitere Untersuchungen dringen nötig seien, der jetzige Wissensstand aber auf eine eher kleine Effektivität des Unterricht-Lockdowns hinweise. Regierungen sollten vorsichtig abwägen, ob sie für eine geringe Infektionsreduktion die sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Schulschliessungen in Kauf nehmen wollten.