FluchthelferBrite schmuggelte kleine Bahar (4) – verurteilt
Dem Herzen folgen oder das Gesetz beachten? Rob Lawrie entscheidet sich für Ersteres und fliegt beim Versuch, ein afghanisches Mädchen nach Grossbritannien zu bringen, auf.
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Im Flüchtlingslager von Calais, dem sogenannten Dschungel, herrschen katastrophale Zustände: Kälte und Dauerregen setzen den rund 4200 Menschen, die hier leben, zu. Unter ihnen sind hunderte Kinder. Der Ex-Militärausbilder Rob Lawrie (49) aus dem britischen Leeds arbeitete hier als ehrenamtlicher Helfer.
Nachdem er die Bilder des toten Flüchtlingskinds Aylan Kurdi gesehen hatte, beschloss er zu helfen. Im «Dschungel» lernte er Bahar (Spitzname «Bru»), ein vierjähriges afghanisches Mädchen, und dessen Vater Reza kennen. Reza habe ihn mehrfach gebeten, das Mädchen zu Verwandten nach Leeds zu bringen. Lawrie weigerte sich, bis das Mädchen an einem regnerischen Tag auf seinen Knien einschlief. «Ich konnte sie nicht länger dort lassen. Alle rationalen Gedanken verschwanden», sagte er der Nachrichtenagentur AP.
«Ich würde es nicht wieder tun»
Im Oktober versuchte er, das Kind in seinem Fahrzeug nach Grossbritannien zu schmuggeln. Dabei wurde er erwischt. Grenzbeamte fanden die kleine Bru, wie sie ängstlich einen Teddybär an sich presste. Auch zwei Eritreer, die nach Angaben von Lawries Anwältin ohne sein Wissen in das Fahrzeug gelangt waren, entdeckten die Zöllner.
Ein Gericht im französischen Boulogne-sur-Mer hat Lawrie am Donnerstag wegen der Gefährdung des Kindes schuldig gesprochen und verlangte 1000 Euro Strafe, die es aber zur Bewährung aussetzte. Den Klagepunkt Beihilfe zur illegalen Einreise liess der Richter fallen. Dafür hätten Lawrie bis zu fünf Jahre Haft und 30'000 Euro Geldstrafe gedroht. Beobachter werteten die Strafe als eher symbolisch. Im Gerichtsaal wurde das Urteil mit Applaus empfangen.
Bankrott und allein
Vor dem Prozess hatte Lawrie eingeräumt, sich unvernünftig verhalten zu haben. «Es tut mir leid, ich würde es nicht wieder tun», sagte er und bat mit dem Kind auf dem Arm um Verständnis. «Die Leute nennen es Schmuggel.» Er aber habe geglaubt, dem Mädchen helfen zu müssen. Lawrie beteuerte, kein Geld für die Fahrt angenommen zu haben.
Im Gegenteil: Seine Hilfstätigkeiten hätten ihn fast in den Bankrott getrieben. Er habe selbst 8000 Pfund (rund 11'500 Franken) gespendet und Gelder für die Flüchtlinge gesammelt. Zudem habe ihn seine Frau mit den vier Kindern verlassen. Lawrie macht sich Vorwürfe, sie nicht genug in seine Helfertätigkeit eingebunden zu haben, wie er AP sagte.
«Ich bin kein Held»
Vielen Flüchtlingen und Helfern gilt er als Held. Vor dem Prozess forderten tausende Unterstützer in einer Online-Petition die britische Regierung auf, Frankreich um Nachsicht zu bitten. Lawrie selbst sagt, nur ein «arbeitsloser Teppichputzer» zu sein, der noch nie mit dem Gesetz in Schwierigkeiten geraten war.
Über das Urteil ist er erleichtert: «Das französische Justizsystem hat eine Botschaft überliefert», sagte er. «Wenn ein Herz voller Mitgefühl ist, dann gewinnt die Barmherzigkeit.» Er hatte zuvor befürchtet, dass das Gericht mit seinem Fall ein Exempel statuieren wollte.
Lawrie will zurück in den Dschungel
Lawrie möchte so bald wie möglich in das Lager von Calais zurückkehren und helfen. Dort lebt die kleine Bru laut «Daily Mail» seit November wieder. «Wir müssen diese Kinder in unser Bildungssystem integrieren. Sie werden eines Tages Ärzte, Anwälte und Lehrer, wenn wir sie richtig ausbilden», sagte er zur BBC.
Wegen der elenden Bedingungen in dem inoffiziellen Flüchtlingscamp sehen sich die französischen Behörden wachsender Kritik ausgesetzt. Am Montag wurde eine Erweiterung mit elementarer Infrastruktur wie Heizung für die ersten 1500 Menschen in Betrieb genommen.
(cfr/sda)