Nachhaltigkeit«Bands sollten Fans den ÖV empfehlen»
Daniela Weinmann vom Verein Music Declares Emergency Schweiz erklärt, was man als Schweizer Musikerin oder Musiker für die Nachhaltigkeit tun kann.
- von
- Adrian Schräder

Das Openair St. Gallen tut bereits heute viel für Nachhaltigkeit.
Darum gehts
Daniela Weinmann fordert Festivalfans auf, mit dem Zug anzureisen.
Sie fordert andere Künstlerinnen und Künstler auf, Nachhaltigkeitsvorbilder zu sein.
Das Openair St. Gallen ist ein Pionier in Sachen Nachhaltigkeit.
Billie Eilish ist ein internationaler Superstar. Ihre Musik geht unter die Haut. Sie ist aber auch die Klassenbeste in Sachen Nachhaltigkeit. Sie arbeitet aktiv mit Organisationen wie Greenpeace zusammen und sorgt dafür, dass an ihren Grosskonzerten kein Plastik verwendet wird. Aber was kann man als Schweizer Musikerin oder Musiker für mehr Nachhaltigkeit tun? Wir haben bei Daniela Weinmann, einerseits selbst Künstlerin und seit Jahren unter dem Projektnamen Odd Beholder unterwegs, andererseits aktiv im Verein Music Declares Emergency Schweiz, nachgefragt.
Daniela Weinmann, was kann man als Schweizer Musikerin oder Musiker tun, um die Emissionen zu verringern?
Einiges. Zum Beispiel seine Fans auf Social Media jeweils dazu ermuntern, mit dem Zug an Konzerte zu reisen. Am meisten CO2 stossen die Schweizerinnen und Schweizer aus, weil sie trotz Weltklasse-ÖV mit dem Auto reisen. Weniger als 20 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer benutzen den Zug. Die Zuschauerinnen und Zuschauer, die mit dem Auto zum Konzert fahren, machen 67 Prozent der Emissionen eines durchschnittlichen Musikfestivals aus. Am besten geht man selbst gleich mit gutem Vorbild voran, aber das ist als Band nicht immer ganz einfach, weil man seine ganzen Instrumente dabeihat.
Wieso fahren immer noch so viele mit dem Auto an ein Festival oder Konzert?
Sicher auch, weil Stars wie DJ Antoine den Auto-Lifestyle promoten. Dabei hätten sie die Möglichkeit, ihre Fans positiv zu beeinflussen und den Lifestyle der Zukunft zu zelebrieren. Ich stelle mir vor, dass in der Zukunft Rap-Battles im Partyzug nach Frauenfeld stattfinden werden oder DJs Fotos von ihrem luxuriösen Lifestyle in der ersten Klasse von Highspeed-Schwebezügen posten. Selbst toure ich schon heute mit dem Zug. Als Solo-Musikerin, die Elektro-Pop macht, ist das überhaupt kein Problem – und erst noch entspannter und billiger.
Sie fahren nicht nur Zug, sondern als Teil von Music Declares Emergency generell einen ambitionierten Nachhaltigkeitskurs. Was muss man sich darunter vorstellen?
Music Declares Emergency ist ein Verein, der entstanden ist, weil weltweit ca. 6000 Musikerinnen und Musiker – darunter 250 Schweizerinnen und Schweizer und auch einige grosse Festivals wie das Gurten Festival – eine Klimanotstandserklärung unterzeichnet haben. Der Slogan der Aktion lautete «No Music On A Dead Planet». Ich gehöre zum harten Kern bzw. zum Schweizer Trägerverein, der versucht, die Interessen der Unterzeichnenden zu vertreten. Letztes Jahr haben wir die erste Messung der Klimawirkung der Schweizer Festivallandschaft in Auftrag gegeben. Dazu versuchen wir, möglichst viel Wissen zu sammeln, damit wir die Musikindustrie in eine grüne Zukunft führen können.
Wir haben über die Mobilität gesprochen. Was wären weitere Bereiche, in denen Musikerinnen und Musiker aktiv werden könnten?
Künstlerinnen und Künstler sind Influencer und Vorbilder. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Kunst, aktuelle Probleme und Fragen spür- und erlebbar zu machen und Zukunftsvisionen für die Gesellschaft zu entwerfen. Das ist die grösste Verantwortung, die Artists haben. Als Musikerin habe ich mich deswegen mit meinem letzten Album «Sunny Bay» mit unserem Verhältnis zur Natur auseinandergesetzt und meine Follower gefragt: Warum finden wir die Natur alle so schön und kümmern uns dennoch so wenig darum, sie zu erhalten? Warum schauen wir lustige Tiervideos und essen ein Lamm zum Znacht? Dabei ging es mir nicht darum, zu moralisieren oder rhetorische Fragen zu stellen. Ich versuche über meine Songs, unser Menschsein besser zu verstehen.
Künstlerinnen und Künstler wie Evelinn Trouble oder Dabu Fantastic setzen immer mehr auf sogenannte «Green Rider». Was ist das?
Ein Rider legt einfach jene Dinge fest, die eine Band oder Künstlerinnen und Künstler für und rund um ihren Auftritt benötigen. Dazu gehört z. B. auch, was man gerne essen und trinken möchte und wo man übernachten will. Ein «Green Rider» legt fest, dass man zumindest auf Tour gerne vegan, vegetarisch oder zumindest biologisch und saisonal essen möchte. So kann man den CO2-Fussabdruck senken, der ja oft während des Tourens mit einem oder mehreren Fahrzeugen relativ gross ist.
Und wie kann man auf das, was vor der Bühne geschieht, Einfluss nehmen?
Indem man mit seinem Publikum spricht. Und indem man zum Beispiel nachhaltiges Merchandise herstellt. Die Band Soft Loft hat zum Beispiel Kleider aus dem Brockenhaus besticken lassen. One Sentence Supervisor haben Bambuszahnbürsten mit ihrem Bandnamen bedruckt.
Das ist originell, aber nicht sehr effektiv. Das Radikalste wäre der Verzicht. Also gar nichts verkaufen und gar nicht spielen.
Verzicht klingt sehr katholisch. Aber manchmal ist ein Verzicht auch etwas, das man sich selbst gönnt. Es lohnt sich zu fragen, ob jeder Gig sinnvoll ist. Ich wurde schon angefragt, in Hongkong einen Gig in einer Kunstgalerie zu spielen. Das rechnet sich nicht für mich, ist ein grosser Aufwand und bringt meiner Karriere wenig. Fliegen ist mitunter das Schädlichste, das man dem Klima antun kann. Ich spiele keine einzelnen Shows mehr, wenn ich dafür ans andere Ende der Welt fliegen muss. Ausserdem schaue ich darauf, dass meine Tour nicht im Zickzack durch Europa führt.
Mehr Informationen unter https://musicdeclares.net/ch/gsw/
88 Prozent reisen jetzt schon nachhaltig ans Openair St. Gallen
Dass die Mobilität der zentrale Treiber bleibt, bestätigt auch Christof Huber, Director Festivals bei der Gadget abc Entertainment AG und verantwortlich für das Openair St. Gallen. «Eine Vollintegration des öffentlichen Verkehrs in das Ticket für Kulturveranstaltungen wäre ein wichtiger Schritt, um den CO2-Abdruck weiter zu verringern», meint er. Letztes Jahr reisten bereits 88 Prozent der Besucherinnen und Besucher mit dem ÖV, per Velo oder zu Fuss an. Mit dem Ticket bekommt man aktuell 50 Prozent Rabatt auf das Zugticket. Darüber hinaus nennt er das verstärkte Angebot von vegetarischen und veganen Produkten sowie die Verhinderung von Food-Waste als Faktoren für eine positive Umweltbilanz – hier will er bei seinem Festival auch dieses Jahr ansetzen. Bereits seit 2015 bietet man im Sittertobel ausschliesslich Schweizer Fleisch an. Das Umdenken fand aber schon lange vorher statt: Vor zwanzig Jahren benannte man die Abfallhelfer in «Trash Heroes» um und ist seither laut Huber stetig bemüht gewesen, die Green’n’Clean-Initiativen jedes Jahr weiterzuentwickeln. Seit 2019 ist das Festival durch die Kompensation der Restemissionen klimaneutral.
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