Kenia«Brutalste Bilder, die man sich vorstellen kann» – Content-Moderatoren verklagen Facebook
Sie hatten täglich mit den brutalsten Bildern zu tun, die man sich vorstellen kann. Fast 200 frühere Social-Media-Moderatoren ziehen gegen Facebook und einen örtlichen Partner vor Gericht.
Darum gehts
Um illegale Inhalte von Facebook zu verbannen, sichten sogenannte Content-Moderatoren die Inhalte, bevor sie aufgeschaltet werden.
Nun hat eine Gruppe von Content-Moderatoren aus mehreren afrikanischen Staaten gegen den Konzern geklagt.
Ihre Klage wegen schlechter Arbeitsbedingungen könnte weltweit Folgen haben.
Videos von Kindesmisshandlung und Mord sowie Vergewaltigung müssen sich Content-Moderatoren bei Facebook acht Stunden täglich sichten, um Internet-Nutzer weltweit davor zu schützen. Kolleginnen und Kollegen hätten manchmal bei der Arbeit geschrien und geweint, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.
Er ist einer von fast 200 ehemaligen Beschäftigten in Kenia, die Facebook und den örtlichen Partner Sama wegen schlechter Arbeitsbedingungen verklagen. Der Prozess könnte Auswirkungen auf Social-Media-Moderatoren auf der ganzen Welt haben. Es ist das erste bekannte Gerichtsverfahren ausserhalb der USA, wo sich Facebook im Jahr 2020 mit Moderatorinnen und Moderatoren geeinigt hatte.
Die Gruppe war im riesigen Zentrum für Content-Moderation von Facebook in der kenianischen Hauptstadt Nairobi beschäftigt. Die Mitarbeitenden dort prüfen Posts, Videos, Nachrichten und andere Inhalte von Nutzern in ganz Afrika und entfernen alles, was illegal ist oder gegen die Standards und Nutzungsbedingungen verstösst.
Unzureichende psychologische Unterstützung
Die Moderatoren, die aus mehreren afrikanischen Ländern stammen, beklagen unter anderem eine unzureichende psychologische Unterstützung und geringe Bezahlung. Sie fordern einen Entschädigungsfonds im Umfang von 1,6 Milliarden Dollar. Die Klagenden waren Anfang des Jahres von Sama entlassen worden, als das Unternehmen aus dem Geschäft der Content-Moderation ausstieg. Sie machen geltend, dass die Unternehmen eine richterliche Anweisung ignorierten, wonach ihre Verträge bis zur Klärung des Falls verlängert werden müssten.
Wie lange es bis zur Klärung dauern wird, ist unklar. Die Moderatoren äusserten sich verzweifelt, da ihnen das Geld ausgehe und ihre Arbeitserlaubnis auslaufe. Zudem werden sie nach ihren Worten von den traumatischen Bildern aus ihrem Arbeitsalltag verfolgt.
429 Dollar plus eine kleine Zulage
Für seine Arbeit habe er pro Monat 429 Dollar plus eine kleine Zulage verdient, sagt der ehemalige Mitarbeiter. Sama habe zwar Berater zur Verfügung gestellt, diese seien aber für die konkreten Probleme der Beschäftigten nicht gut genug ausgebildet gewesen. Der Facebook-Mutterkonzern Meta wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Fall in Kenia äussern. Das Unternehmen Sama betonte, seine Löhne in dem Land seien vier Mal so hoch gewesen wie der örtliche Mindestlohn. Alle Beschäftigten hätten unbegrenzten Zugang zu persönlicher Beratung gehabt «ohne Angst vor Nachteilen».
In den USA würden solche Fälle normalerweise aussergerichtlich beigelegt, im Ausland sei das für die betroffenen Unternehmen aber womöglich nicht so einfach. Die nächste Anhörung des kenianischen Gerichts ist für den 10. Juli angesetzt.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine psychische Erkrankung?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Angehörigen
Verein Postpartale Depression, Tel. 044 720 25 55
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
VASK, regionale Vereine für Angehörige
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Angst- und Panikhilfe Schweiz, Tel. 0848 801 109