AlarmsystemBund prüft Warn-SMS bei Terror und Amokläufen
Beim Münchner Amoklauf warnten die Behörden per App und SMS. Auch das Fedpol plant nun ein Warn-System für die Bürger.
- von
- Nikolai Thelitz
«Zu Ihrer Sicherheit Plätze und Strassen meiden, Täter flüchtig, Bahn und Busverkehr eingestellt, Radio und Fernseher einschalten.» Diese Warnung erhielten Münchner während des Amoklaufs von David Ali S. über das Warnsystem «Katwarn». Bei diesem können sich Nutzer in Deutschland per SMS oder App vor Gefahren wie Amokläufen oder Terroranschlägen warnen lassen.
Ein solches System fehlt bis anhin in der Schweiz – dieses Manko will der Bund jedoch beheben. «Wir sind daran, ein Warnsystem zu evaluieren», sagt Fedpol-Sprecherin Anne-Florence Débois. Seit Mai 2016 ist das Fedpol auf Twitter aktiv. «Der Amoklauf von München hat gezeigt, wie man Twitter effizient benützen kann. Für Krisenereignisse wie einen Terroranschlag kann auch fedpol Twitter nutzen, es ist in der Krise ein sehr effizienter Kanal.»
60'000 lassen sich bei Entführungen warnen
Nun prüfe man weitere Möglichkeiten, wie die Bevölkerung informiert werden könne. «Das kann zum Beispiel ein SMS-Service sein. Man sollte dies aber auf die Wirksamkeit und Effizienz prüfen.» Ob das System lanciert wird und wie es genau aussehen würde, sei momentan noch Gegenstand der Evaluation.
Bereits seit 2010 kann man sich per SMS bei Kindsentführungen warnen lassen – laut Débois haben sich 60'000 Personen für den Dienst registriert. Für Katastrophenfälle gibt es vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz die App «Alertswiss», die Handlungsanweisungen für diverse Notlagen wie Erdbeben, Hochwasser oder AKW-Unfälle bietet – nicht aber für Amokläufe oder Terroranschläge.
«Bund könnte SMS an alle Handys schicken lassen»
Die momentan beste Lösung ist laut Telecom-Experte Ralf Beyeler vom Vergleichsportal Verivox ein SMS-Alarm. Eine Registrierung für einen SMS-Service sei eine Möglichkeit. «Der Bund könnte aber auch im Ernstfall die Mobilfunkbetreiber anweisen, ein SMS an alle Handys zu verschicken, die in einer gewissen Region im Handynetz eingeloggt sind.» Dazu müssten die Mobilfunkanbieter aber zuerst ein entsprechendes Tool programmieren.
Per SMS müssten die Nachrichten zudem nacheinander an jeden Empfänger verschickt werden. Auch sei man auf ein funktionierendes Handynetz angewiesen. «Gerade bei einer Extremsituation wie einer Terrorattacke kann dies zu Problemen führen, denn jeder kontaktiert seine Angehörigen, das Netz ist ohnehin schon stark belastet.»
Bei einer App könne man die Nutzer zwar gleichzeitig kontaktieren, aber der Nutzer müsse zuerst die App installiert haben, und auch hier sei man aufs Handynetz angewiesen. Auch das deutsche Katwarn-System sei an seine Grenzen gekommen, weil gleichzeitg vor Unwettern und dem Amoklauf in München gewarnt wurde.
«Cell Broadcasting» als Alternative
Eine weitere Möglichkeit ist gemäss Beyeler der so genannte Cell Broadcast (CB), mittels dem Netzbetreiber Nachrichten an alle Geräte schicken können, die in einen Mobilfunkmasten eingeloggt sind. Das System wird in Japan zur Erdbebenfrühwarnung verwendet, und in den USA warnten die Behörden während des Boston-Marathon-Anschlags oder dem Hurricane Sandy die Bevölkerung per CB-Nachricht.
«Technisch gesehen wäre dies die beste Lösung, weil sie das Mobilfunknetz nur minimal beansprucht und alle Mobilfunknutzer in einer bestimmten Region gewarnt werden», sagt Beyeler. Die allermeisten Handys könnten heute bereits CB-Nachrichten empfangen. «Der Nutzer müsste allerdings einen entsprechenden Kanal aktivieren oder die Hersteller müssten diesen standardmässig freischalten, was Apple oder Google wohl nur bei einer gesamteuropäischen Lösung machen würden.»