Narrative in Reden: 1. August-Feiern – Ueli Maurer war der grösste Redenschwinger der SVP

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Narrative in Reden1. August-Feiern – Ueli Maurer war der grösste Redenschwinger der SVP

In 1.-August-Reden und Neujahrsansprachen bedienen Bundesräte gerne nationale Narrative. Besonders die Schweizer «Humanität» und «Solidarität» wird gerne aufgegriffen.

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Der ehemalige Bundesmaurer Ueli Maurer liebte grosse Bilder und Narrative: Er zeichnete für die Hälfte davon in den 1. August- und Neujahrsansprachen der SVP der letzten 40 Jahre aus. 

Der ehemalige Bundesmaurer Ueli Maurer liebte grosse Bilder und Narrative: Er zeichnete für die Hälfte davon in den 1. August- und Neujahrsansprachen der SVP der letzten 40 Jahre aus. 

20min/Simon Glauser
Bundesräte benutzen in ihren Reden zum 1. August und Neujahr gerne Narrative.

Bundesräte benutzen in ihren Reden zum 1. August und Neujahr gerne Narrative.

20min/Matthias Spicher
Micheline Calmy-Rey machte in ihren Reden besonders häufig von solchen Bildern Gebrauch.

Micheline Calmy-Rey machte in ihren Reden besonders häufig von solchen Bildern Gebrauch.

Tamedia/Lucien Fortunati

Darum gehts

  • Eine Studie untersuchte, wie häufig Bundesräte in 1.-August- und Neujahrsreden verschiedene Narrative, also Bilder, die man von der Schweiz hat, verwendeten.

  • Sie kam zum Schluss, dass Narrative sich über die vergangenen Jahrzehnte hinweg immer grösserer Beliebtheit erfreuen.

  • Am liebsten sprechen die Bundesräte über die humanitäre und solidarische Schweiz.

  • Die SVP ist dabei am zurückhaltendsten, am häufigsten macht die FDP von solchen Bildern Gebrauch.

Jedes Jahr halten die Bundesräte zu Neujahr sowie zum Nationalfeiertag Reden vor der Bevölkerung. Um ihre Botschaften einfach und gebündelt zu vermitteln, nutzen sie gerne nationale Erzählungen, Bilder der Schweiz, mit denen sich die Menschen identifizieren sollen – sogenannte Narrative. Die sechs gängigsten dieser Erzählungen wurden in einer Studie von Pro Futuris analysiert.

Die sechs gängigsten Narrative der Schweiz

  • «Die Schweiz ist ein freiheitsliebendes, wehrhaftes Land, das Bedrohungen von innen und aussen erfährt.»

  • «Unabhängigkeit, Souveränität und Stabilität sind Garanten des wirtschaftlichen Wohlstands in der Schweiz.»

  • «Die Schweiz ist ein Land mit einer starken humanitären Tradition, in dem für alle gesorgt wird.»

  • «Direkte Demokratie, Föderalismus und Neutralität sind das politische Erfolgsmodell der Schweiz.»

  • «Die Schweiz ist eine multikulturelle Willensnation

  • «Die Schweizerinnen und Schweizer sind ein Alpenvolk

Immer mehr Narrative

Verwendete Narrative pro Jahrzehnt

Verwendete Narrative pro Jahrzehnt

Pro Futuris

Für die Studie wurden weiter 81 Reden aus dem Zeitraum von 1972 bis 2021 analysiert und festgestellt: Die Bundesrätinnen und Bundesräte verwenden immer öfter solche Erzählungen. Waren es in den 70er- und 80er-Jahren noch durchschnittlich 1,39 Narrative, wurden in den 2010er-Jahren 2,57 Narrative pro Rede verwendet.

SVP ist zurückhaltender

Verwendung der Narrative pro Partei (relativ)

Verwendung der Narrative pro Partei (relativ)

Pro Futuris

Einige Bundesräte bedienten sich aber noch viel grosszügiger an diesen aufgeladenen Bildern der Schweiz. Die Rangliste führt Micheline Calmy-Rey an, die in insgesamt vier Reden 15 Narrative verwendete. Sechs davon benutzte sie in einer einzigen Rede. Doris Leuthard verwendete bei gleicher Anzahl Reden ein Narrativ weniger.

Am wenigsten griffen Bundesräte der SVP auf solche Bilder zurück. Bei den untersuchten Reden verwendeten sie im Durchschnitt 1,69 pro Rede, wobei die Hälfte der gezählten Narrative aus Reden von Ueli Maurer stammen. Die FDP weist die höchste Narrativdichte auf, nämlich 2,67 pro Rede.

Humanität und Solidarität als Spitzenreiter

Mit Abstand am häufigsten referieren die Bundesräte über die «Humanität und Solidarität», gefolgt von der «Willensnation». Wohl, weil an genannten Anlässen gerne an den Gemeinschaftsgedanken erinnert wird und damit einhergehend solidarische Bekundungen gemacht werden.

«Einig sind wir stärker. Eine der Voraussetzungen für das Zusammenleben unserer Kulturen, Sprachgruppen und Minderheiten ist die Bereitschaft zum gegenseitigen Respekt, zum gerechten Interessenausgleich, zum tragfähigen Kompromiss.»

Kaspar Villiger (1995)

Freiheitsliebende Schweiz wandelt sich

Die von der SVP am häufigsten verwendete Erzählung der «freiheitsliebenden, wehrhaften Schweiz» erfuhr in den 2000er-Jahren eine Neubesetzung. Bis dahin wurde sie vor allem mit der gesellschaftlichen Freiheit konnotiert und verlor stetig an Beliebtheit. Mit der Wendung hin zur Handlungsfreiheit erfreute es sich dann aber ab den 2010er-Jahren plötzlich wieder grosser Beliebtheit.

«Das verspüren auch wir, wenn wir mit einem Blick in die Welt an die Hunderte und Aberhunderte von Millionen Menschen denken, die frei sein möchten und nicht frei sein können.»

Kurt Furgler (1985)

«Wir dürfen stolz darauf sein, eine freiheitliche Ordnung zu haben, die den Bürgerinnen und Bürgern einmalig viele Rechte gibt. Das Volk bestimmt in allen wichtigen Fragen; das Volk gibt sich seine Gesetze selbst.»

Ueli Maurer (2013)

Bundesräte der FDP betonen oft den «wirtschaftlichen Wohlstand». Solche der CVP und BDP stützen das von der SP ebenfalls meistbediente Narrativ der «Humanität und Solidarität».

Verwendung der Narrative (relativ pro Partei) 

Verwendung der Narrative (relativ pro Partei) 

Pro Futuris

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