GuantánamoBush schiebt Problem auf Nachfolger ab
Seit zwei Jahren erklärt George W. Bush, er würde das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba am liebsten schliessen. In Wirklichkeit denkt er nicht daran – er will das Problem dem neuen Präsidenten überlassen.
Erstmals hatte Bush im Juni 2006 erklärt, er würde Guantánamo gerne dicht machen. Im August 2007 bekräftigte er seine Aussage, betonte aber auch, dies sei «nicht so einfach, wie es oberflächlich aussehen mag». Wie die «New York Times» nun mit Berufung auf hochrangige Regierungsvertreter berichtete, habe Bush eine Schliessung nie ernsthaft in Betracht gezogen. Damit hinterlasse er dem nächsten Präsidenten «eine weitere umstrittene Entscheidung in der Aussenpolitik», so die Zeitung.
Zuletzt sei im Sommer über eine Schliessung diskutiert worden, nachdem der Oberste Gerichtshof entschieden hatte, dass Insassen von Guantánamo vor einem Gericht in den USA Einspruch gegen ihre Inhaftierung einlegen können. Dabei hätten sich die Hardliner um Vizepräsident Dick Cheney mit ihren Argumenten durchgesetzt. Im Vordergrund stand die Befürchtung, dass die Schliessung von Guantánamo zu einer Freilassung von Häftlingen führen könnte, die immer noch eine Bedrohung für die USA und ihre Alliierten darstellten.
Rechtliche und politische Risiken
Selbst Aussenministerin Condoleezza Rice und Verteidigungsminister Robert Gates, die stärksten Befürworter einer Schliessung des Lagers in der Regierung, hätten akzeptiert, dass ein solcher Schritt mit «zu vielen rechtlichen und politischen Risiken» verbunden sei, so die «New York Times». Eine Verlegung der Insassen in die USA, etwa ins Militärgefängnis Fort Leavenworth in Kansas oder ein Hochsicherheitsgefängnis in Colorado, scheiterte bislang am Widerstand in den jeweiligen Regionen.
Sowohl John McCain als auch Barack Obama haben sich dafür ausgesprochen, Guantánamo dicht zu machen, allerdings ohne darzulegen, wie dies genau geschehen soll. Ein Regierungsvertreter, der selber die Schliessung befürwortet, erklärte: «Der neue Präsident wird mit den Zähnen knirschen und den Kopf gegen die Wand schlagen, wenn er realisiert, wie schwierig es ist, Guantánamo zu schliessen.»
Radikaler Wandel nötig
Guantánamo-Gegner beharren dennoch auf der Schliessung des Lagers. Matthew Waxman, Rechtsprofessor an der Columbia University in New York und ehemaliger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, anerkannte gegenüber der «New York Times» die Schwierigkeiten und Risiken eines solchen Schritts. Nach sieben Jahren sei jedoch ein radikaler Wandel nötig: «Die möglichen Konsequenzen, vor denen sich die Regierung fürchtet, müssen abgewogen werden gegen den Schaden, den wir mit der Beibehaltung des Status Quo anrichten.»
(pbl)
Fünf Anklagen fallen gelassen
Das US-Verteidigungsministerium hat die Anklagen wegen Kriegsverbrechen gegen fünf Häftlinge in Guantánamo fallen gelassen. Die Inhaftierten bleiben aber weiter in dem Lager gefangen. Ein Sprecher des Pentagon betonte, dass die Aussetzung der fünf Anklagen zunächst nur vorübergehend sei; die Regierung behalte sich vor, die Verfahren später fortzuführen. Unter den Gefangenen, deren Verfahren gestoppt wurden, befindet sich auch ein Äthiopier, der im Mai vor einer Militärkommission in Guantánamo angeklagt worden, weil er einen Anschlag mit einer radioaktiv verseuchten Bombe in den USA geplant haben soll. Zudem wurde die Anklage gegen einen Sudanesen, einen Algerier und zwei Saudiaraber wegen Terrorismus und Verschwörung fallengelassen. (sda)