Reise nach Asmara: «Cassis könnte das Eritrea-Problem lösen»

Publiziert

Reise nach Asmara«Cassis könnte das Eritrea-Problem lösen»

Aussenminister Ignazio Cassis fasst eine Reise nach Eritrea ins Auge. Politiker hoffen auf einen Durchbruch in der Asylpolitik.

von
daw
1 / 2
Laut Kritikern begibt sich Bundesrat Ignazio Cassis mit seiner Eritrea-Reise aufs Glatteis.

Laut Kritikern begibt sich Bundesrat Ignazio Cassis mit seiner Eritrea-Reise aufs Glatteis.

Keystone/Cyril Zingaro
Der Vorgänger von Ignazio Cassis, Didier Burkhalter (r.) reiste nie nach Asmara.

Der Vorgänger von Ignazio Cassis, Didier Burkhalter (r.) reiste nie nach Asmara.

Keystone/Peter Schneider

Es wäre ein Tabubruch: Sowohl Justizministerin Simonetta Sommaruga als auch der ehemalige Aussenminister Didier Burkhalter lehnten es ab, nach Eritrea zu reisen – zu desolat sei die Menschenrechtslage im Land, das seit Jahren die Asylstatistik in der Schweiz anführt.

Nachdem die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit seit 2016 wieder Entwicklungshilfe in Eritrea leistet, könnte es auch zu Gesprächen auf höchster Regierungsebene kommen. Laut der «Aargauer Zeitung» fasst Aussenminister Ignazio Cassis eine Reise nach Asmara ins Auge. «Ein allfälliger Besuch von Herrn Cassis in Eritrea wird zu gegebener Zeit kommuniziert», heisst es beim EDA. Bereits vor zwei Monaten sagte er im Ständerat: «Vielleicht lohnt es sich ja, einen Augenschein zu nehmen.»

«Im Interesse beider Seiten»

Für Toni Locher, der als Honorarkonsul Kontakte zur eritreischen Regierung pflegt, könnte sich eine Eritrea-Reise aber lohnen: «Der Personalwechsel ist eine Chance, um das Eritrea-Problem der Schweiz zu lösen und endlich auf Augenhöhe zu diskutieren. Sein Vorgänger Didier Burkhalter hat ja immer einen roten Kopf oder dicken Hals bekommen, wenn er nur schon auf das Thema Eritrea angesprochen wurde.» Cassis habe auch die Eröffnung einer Botschaft in Asmara unterstützt und könne den Besuch unbelastet antreten.

Locher glaubt, dass auch die eritreische Regierung Interesse an einem Rücknahmeabkommen hat: «Eritrea leidet darunter, wenn zu viele Junge das Land verlassen.» Eine Rückkehr könne aber nur freiwillig und mit den richtigen Anreizen funktionieren. «Die jungen Asylbewerber sollten in der Schweiz Englisch lernen und mit einer kurzen Anlehre auf eine Rückkehr vorbereitet werden.» Locher kritisiert, dass die Schutzquote in der Schweiz noch immer viel zu hoch sei, obwohl in Eritrea niemand an Leib und Leben bedroht werde. «In die Schweiz kommen die ganz schlecht Qualifizierten.» Diese landeten dann in der Sozialhilfe und würden im Alkoholkonsum verelenden. «Es macht mir weh, wenn ich das sehe. Wir müssen sie motivieren, zurückzugehen.»

Politiker begrüssen die Reisepläne

Ex-Diplomat und SP-Nationalrat Tim Guldimann findet es richtig, dass Cassis eine Reise zu Präsident Isayas Afewerki prüft: «Im Vorfeld muss die Schweiz aber genau abklären, welche Resultate wahrscheinlich sind und zu welchen Zugeständnissen Eritrea bereit ist. Kommen wir mit unseren Anliegen weiter, kann die Reise zweckmässig sein.» Die Schweiz habe ja nicht nur Beziehungen mit «lupenreinen Demokraten». Klar sei, dass das Regime den Besuch propagandistisch ausschlachten werde. «Die Frage ist nur: Was ist die Gegenleistung? Diesbezüglich bleibe ich skeptisch.»

Auch FDP-Ständerat Philipp Müller sagt: «Das Ziel muss es sein, diplomatische Beziehungen aufzubauen. Mittelfristig muss die Schweiz eine Migrationspartnerschaft anstreben.» Mit Geld allein sei dies in Eritrea nicht zu erreichen, da etwa China im grossen Stil investiere. Neben dem Rückübernahmeabkommen verlangt Müller, dass die Schweiz ihre Asylpraxis überdenkt: «Eritreer sollten keine Aufenthaltsbewilligung erhalten und nur als ‹Schutzbedürftige› geregelt werden. Damit gibt es keinen Anspruch auf Sozialhilfe – und die Attraktivität der Schweiz als Asylland sinkt.»

«Es besteht die Gefahr der Instrumentalisierung»

Heikel findet Reto Rufer, Afrika-Verantwortlicher von Amnesty International Schweiz, eine Eritrea-Reise: «Es besteht die Gefahr, dass die Reise vom Regime in Eritrea, aber auch in der Schweiz instrumentalisiert wird.» So sei es zuletzt bei Reisen von Schweizer Parlamentariern passiert: «Die Botschaft war, dass in Eritrea alles nicht so schlimm ist – doch in ein Gefängnis durften die Politiker natürlich nicht schauen.» Laut Menschenrechtsorganisationen gibt es im Land willkürliche Verhaftungen und Folter.

Sinn machen könnte einzig eine Reise im Zeichen der Menschenrechte, sagt Rufer: «Könnte Herr Cassis in Asmara den Zugang des IKRK zu den Gefängnissen erwirken oder die Menschenrechtslage im Land öffentlich ansprechen, wäre ein Besuch nicht sinnlos.» «Solange die Verweigerung des jahrelangen Nationaldienstes so hart bestraft wird, kann die Schweiz Dienstverweigerer nicht zurückschicken.»

Deine Meinung