Landfriedensbruch härter bestrafenChaoten sollen zwingend ins Gefängnis
Die CVP will Krawallanten härter anpacken: Wer Landfriedensbruch begeht, soll ins Gefängnis wandern. Linke sehen die Versammlungsfreiheit in Gefahr.
- von
- N. Knüsel/S. Ehrbar
«Gewalt gegen Beamte nimmt seit Jahren zu», sagt Beat Rieder. Das ist einer der Gründe, aus denen der Walliser CVP-Ständerat die Strafen für Landfriedensbruch verschärfen will. Landfriedensbruch begeht, wer an einer «öffentlichen Zusammenrottung» teilnimmt, bei der «mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden».
Konkret fordert er mit einer Motion, dass bei Landfriedensbruch zwingend eine Haftstrafe verhängt werden muss – heute liegt es im Ermessen des Richters, eine Geld- oder eine Gefängnisstrafe auszusprechen. Das Delikt wird besonders im Umfeld von gewalttätigen Demonstrationen oder von Hooligans verübt. Rieder erhofft sich von der Verschärfung einen abschreckenden Effekt.
«Türkische Zustände» in der Schweiz
Juso-Präsidentin Tamara Funiciello ist entsetzt: «Käme der Vorstoss durch, hätten wir türkische Zustände in der Schweiz.» Es würden Grundrechte der Demokratie beschnitten: «Man sollte sich gut überlegen, bevor man die Versammlungsfreiheit infrage stellt.» Sie befürchtet, friedliche Demo-Teilnehmer könnten ins Visier der Sicherheitskräfte geraten: «Es könnte sich zum Beispiel ein Gegner der Demonstration in die Gruppe schleichen, nur einen Stein werfen, und alle könnten ins Gefängnis gesteckt werden.»
Dem widerspricht Rieder. «Es können gezielt gewalttätige Demonstranten herausgepickt werden, denn im Gesetzestext steht auch: Friedliche Demonstranten können sich auf Anordnung der Behörden entfernen. Diese gehen dann straffrei aus», sagt der Ständerat. Dass sie aber als Schutzschild für Chaoten dienten, gehe nicht. Rieder sieht sich als Verfechter der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit: «Die Alternative wäre, präventiv bestimmte Veranstaltungen abzusagen. Das kann es ja auch nicht sein.»
Max Hofmann, Generalsekretär des Verbands Schweizer Polizeibeamter, würde eine Verschärfung begrüssen: «Sie könnte eine abschreckende Wirkung erzielen, wenn es um Hooligans im Sport geht oder wenn Demonstrationen stattfinden, in die sich Chaoten einmischen, randalieren und Dinge kaputtschlagen, so wie wir es etwa bei ‹Tanz dich frei› gesehen haben.»
«Müssen Besorgnis der Sicherheitskräfte ernst nehmen»
Der Bundesrat empfiehlt die Motion zur Ablehnung. Er schreibt:«Generell ist die Anzahl von Verurteilungen wegen Landfriedensbruchs seit 2014 konstant rückläufig.» Es ergebe sich daher keine Notwendigkeit, zusätzlich zur Geldstrafe eine Freiheitsstrafe auszusprechen.
Tatsächlich wurden etwa 2015 nur gerade 185 Personen wegen Landfriedensbruchs verurteilt. Das führt Rieder aber auf das geringe Strafmass zurück: «Für Richter und Staatsanwälte, aber auch Einsatzkräfte lohnt sich wohl schlicht der Aufwand nicht, ein Delikt zu verfolgen, wenn am Schluss die Täter nur zu einer bedingten Geldbusse verurteilt werden.»
Am 29. Mai wird die Vorlage im Ständerat behandelt. Beat Rieders Hoffnungen sind intakt: «Wir müssen die Besorgnis der Sicherheitskräfte ernst nehmen. Wenn wir noch länger zuwarten, könnte die Situation eskalieren.»
Juso darf nicht demonstrieren
Am 26. Mai führen Abtreibungsgegner in Flüeli/Ranft OW den Gebetsmarsch «Bäte fürs Läbe» durch. Ein Jahr zuvor hatte die Veranstaltung keine Bewilligung erhalten. Dieses Jahr wurde eine geplante Gegenveranstaltung der Juso nicht bewilligt. Juso-Chefin Tamara Funiciello sagt: «Es geht nicht, dass uns schon wieder unsere demokratischen Rechte abgesprochen werden, wie es schon während des WEF in Davos passiert ist.» Die Schweiz habe ein Problem mit dem Widerstandsrecht, sagt Funiciello. Man werde trotzdem dazu aufrufen, friedlich und farbig zu demonstrieren.