Spiess-Hegglins TeamChatgruppe gegen «Tagi»-Journalistin – linke Politikerinnen lasen mit
Chatprotokolle aus dem Umfeld von Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin zeigen, wie sie und ihre Mitstreiterinnen gegen eine Journalistin vorgingen. Im Chat waren auch zwei prominente Nationalrätinnen der Grünen und der SP.

- von
- 20 Minuten
Darum gehts
In einem Gruppenchat sollen Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin und ihre Mitstreiterinnen die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger beleidigt haben.
Unter den Mitgliedern im Chat waren auch prominente Nationalrätinnen der SP und der Grünen.
Für Politanalyst Mark Balsiger hat das ein «Gschmäckle», wie er sagt.
Seit Jahren liefern sich Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin und «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger eine heftige Auseinandersetzung. Hintergrund ist ein Buch über die Geschehnisse bei der Landammannfeier 2014 in Zug. Dieses erschien diesen Februar nach einem langen Rechtsstreit, der noch nicht abgeschlossen ist. Nächste Woche muss sich Binswanger gegen den Vorwurf der Verleumdung verteidigen. Der «Tages-Anzeiger» gehört – wie 20 Minuten – zur TX Group.
Spiess-Hegglin wehrte sich im Vorfeld vehement gegen die Veröffentlichung. Binswanger hat dazu nun Chatprotokolle erhalten. Ein von ihr zusammengestelltes «Recherchekollektiv» berichtet auf ihrem Blog unter dem Hashtag #Hateleaks darüber.
In diesem Kollektiv tätig ist unter anderem der Journalist Stefan Millius, wie er auf Weltwoche.ch publik machte. Er arbeitet daneben auch für das Radio «Kontrafunk» und den «Nebelspalter». Er will für die Corona-kritische Gruppierung «Aufrecht» in den Nationalrat.
Die anderen Mitglieder des Kollektivs wollen anonym bleiben. Das Protokoll eines Facebook-Chats, das sie auswerteten, soll zeigen, dass das Lager der Netzaktivistin gezielt Shitstorms gegen die Journalistin lancierte. «Dokumente sollen Kampagne gegen Journalistin belegen», titelte das Online-Magazin Persoenlich.com.
«Ziel muss sein, dass sie als Journalistin auswandern kann»
Binswanger wird von den Mitgliedern des Chats – es handelt sich ausschliesslich um Frauen – auch wiederholt beleidigt und meist nur als «Binsi» bezeichnet. 20 Minuten hatte Einblick in das Protokoll. Den Zweck umreisst Spiess-Hegglin selbst folgendermassen: «Unser Ziel muss sein, dass sie als Journalistin auswandern kann.»
Weiter meinte sie bei der Suche nach einem Twitter-Hashtag zu Binswanger: «Ich wollte nicht damit beginnen, damits nicht allzu orchestriert aussieht (obwohl es das ja ist, schlussamend).»
Eine andere Teilnehmerin schreibt über ein Treffen mit der Journalistin: «Sie stand den ganzen Abend mit der Handtasche vor der Brust eingeklemmt in der Ecke. Das ist Binswanger. Sie ist nur an der Tastatur gross.»
Auch Promis von SP und Grünen lasen mit
Im Chat mit dem Namen «#WasistlosMichèle» waren auch prominente Namen dabei. Die grüne Nationalrätin Sibel Arslan war ebenso Mitglied im Chat wie SP-Vertreterin und Ex-Juso-Chefin Tamara Funiciello. Letztere amtierte als Co-Präsidentin von Spiess-Hegglins Verein «Netzcourage», bis sie diesen im Herbst 2021 abrupt verliess. Der Verein kämpft «für einen menschenwürdigen gegenseitigen Umgang im digitalen Raum».
Die beiden Politikerinnen äusserten sich kaum persönlich im Chat. «Sorry für mein Schweigen, ihr Lieben. Ich bin da, ohne Wenn und Aber», schrieb Funiciello einmal. «Wir sind alle da und unterstützen gerne», versicherte Arslan. Ansonsten waren die linken Polit-Promis kaum aktiv.
Sie griffen allerdings auch nicht ein bei Beleidigungen. Das Binswanger-Lager unterstellt den gewählten Volksvertreterinnen deshalb, dass sie eine Mitverantwortung für Shitstorms tragen würden. Funiciello wollte sich auf Anfrage nicht äussern, Arslan schweigt ebenso.
Politologe: «Das hat ein Gschmäckle»
Für Politologe Mark Balsiger spricht nichts dagegen, wenn Politikerinnen in einzelnen Themen auch als Aktivistin tätig seien. «Geschieht dies aber im Verborgenen und mit einer Doppelbödigkeit, hat es ein Gschmäckle», sagt er.
Es gehe «nicht zusammen, öffentlich gegen Hass im Netz einzustehen und zugleich im Hintergrund bei einer konspirativen Gruppierung, die im Netz aggressiv agitiert, mitzuwirken», findet Balsiger.
Neben den Politikerinnen seien im Chat auch Journalistinnen und Aktivistinnen vertreten gewesen. «Insgesamt mehr als 30 Frauen», die unterschiedlich aktiv gewesen seien, so Binswangers Blog. Zwei Beteiligte erklären, dass sie den Chat auf stumm geschaltet hätten und eine passive Rolle einnahmen.
Eine weitere Teilnehmerin hat sich via Twitter öffentlich von der Gruppe distanziert. «Alles stimmt und hat so stattgefunden. Ich war ein Teil davon», schreibt sie. Und ergänzt: «Wenn einem die Vergangenheit über die Schulter schaut, wird es zuweilen peinlich.»
Jolanda Spiess-Hegglin beantwortet gestellte Fragen zum Chat nicht.
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