PorträtChristian Wulff - Ein katholischer Preusse
Christian Wulff hat es geschafft. Er ist das neue Staatsoberhaupt der Deutschen. Doch wer ist dieser Mann, der zuweilen als langweilig und konturlos beschrieben wird?
- von
- Andreas Rinke ,
- Reuters

Christian Wulff, der neue deutsche Bundespräsident.
Geduld hat Christian Wulff schon immer gehabt. Als einer der wenigen deutschen Spitzenpolitiker hat er gleich drei Anläufe unternommen, bevor er in Niedersachsen zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.
Auch von zwei Niederlagen gegen den damaligen Amtsinhaber Gerhard Schröder liess sich der CDU-Politiker nicht abschrecken.
Wohl deshalb reagierte der 51-Jährige nach seiner Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der schwarz-gelben Bundesregierung sehr gelassen, als sich die Öffentlichkeit mehr für seinen Konkurrenten Joachim Gauck als für den Niedersachsen begeisterte.
Langweilig, konturlos, Profipolitiker - diese ihm zugeschriebenen Attribute wirken wie ein Gegenmodell zu dem ostdeutschen SED-Widerständler. Aber ein wichtiger Grund dafür, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle ihn nominierten, ist, dass er weiss, wie Politik und politische Öffentlichkeit funktioniert - und wie man damit spielen kann.
«Mann mit Eigenschaften»
Je näher der Wahltag rückte, desto deutlicher wurde dies. Denn plötzlich wirkte der Favorit konturenreicher. Nun wurde bekannt, dass er seine schwerkranke Mutter gepflegt hatte, ohne bisher gross darüber zu reden.
Pläne eines Kinderzimmers im Schloss Bellevue und eine Ehefrau mit Tattoo am Oberarm regen die Fantasien an, welches neue Image das Bundespräsidentenamt mit einer «first family» erhalten könnte.
In der «Bild am Sonntag» regte Wulff dazu noch eine Denkfabrik nach Vorbild des Preussen-Königs Friedrich des Grossen an. Das sichert Schlagzeilen, klingt aber so kühn, dass der vorsichtige Wulff sich sofort wieder mit einem Mantel von Bescheidenheit umgibt: «Das Staatsoberhaupt wird ja nicht durch die Wahl zum Universalgenie, sondern ist auf den Rat von klugen Leuten angewiesen.»
Als Erfolg dieser Kommunikationsstrategie darf sein Team nun feiern, dass auch kritischere Medien wie die «Süddeutsche Zeitung» plötzlich ein Porträt mit dem Titel «Der Mann mit Eigenschaften» veröffentlichten.
Dabei geht es in Wahrheit weniger um einen Wandel Wulffs, als vielmehr um die Neuentdeckung eines Provinzpolitikers, der den Berliner Medientross bisher eher gegen sich aufgebracht hat.
Denn Wulff wollte Politik nicht nach den Spielregeln der Medienleitwölfe spielen - etwa als er sich als «Alphatier» und möglichen Herausforderer Merkels aus dem Rennen nahm. Mitte 2008 hatte er sogar betont: «Kanzler traue ich mir nicht zu». Das sagt man nicht - oder eben doch.
Sensibilität für Minderheiten
Der in zweiter Ehe verheiratete Vater von zwei Kindern agiert zwar tatsächlich politisch vorsichtig und ent-polarisierend - hat aber oft Steherqualitäten gezeigt und durchaus Akzente gesetzt.
Vielleicht auch, weil er als erster katholischer Ministerpräsident in dem protestantisch dominierten Niedersachsen durchaus Sensibilität für Minderheiten mit preussischem Pflichtgefühl verknüpft.
So berief Wulff im April erstmals eine Muslimin und eine ostdeutsche Ministerin in ein westdeutsches Landeskabinett. Beharrlich arbeitete der bisherige CDU-Vize an seinem Image als liberaler Moderator quer über gesellschaftliche Grenzen hinweg. Mit diesem ausgleichenden Politikstil hatte er sich 2008 seine klare Wiederwahl als Ministerpräsident in Niedersachsen gesichert.
Politisch unterstützt er den von CDU-Chefin Merkel verfolgten Modernisierungskurs der Union - und schnitt dabei bei den zeitgleichen Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen wesentlich besser ab als sein Parteifreund Roland Koch. Wulff gehört zu einem der wenigen verbliebenen Politiker der CDU, die noch ein Wahlergebnis von mehr als 40 Prozent vorweisen können.