Wrack-WatchingCosta Concordia lockt Touristen an
Die italienische Insel Giglio hat eine neue Attraktion: Hunderte wollen täglich die havarierte Costa Concordia sehen. Dennoch hofft der Bürgermeister, dass das Wrack bald verschwindet.

Whale-Watching? Nein, ein Boot bringt die Touristen für einen Schnappschuss zum Wrack der Costa Concordia.
«Zehn Euro für die Hin- und Rückfahrt nach Giglio» lautet das Angebot, das Urlauber im Hafen von Porto Santo Stefano bekommen. In dem Ferienort in der Toscana stehen die Touristen in Shorts und Badelatschen Schlange, um eine Bootstour zum Wrack des untergegangenen Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia vor der Insel Giglio zu machen.
«Klar zieht die Insel jetzt viele Leute an, denn leider ist das Unglück attraktiver als die schönen Dinge», sagt die 23-jährige Daniela, die zusammen mit ihrem Freund Davide zum Wrack unterwegs ist.
«Es tut mir weh, einen solchen Koloss in einem derartigen Zustand zu sehen», ergänzt die blonde Mittfünfzigerin Lucia, als das Ausflugsboot nur Dutzende Meter an der verunglückten Costa Concordia vorbeifährt.
Das 114 500 Tonnen schwere Kreuzfahrtschiff, das mit 4229 Menschen an Bord auf einen Felsen fuhr, liegt seit Monaten mit Schlagseite vor dem kleinen Hafen von Giglio. 32 Menschen starben bei dem Unglück am 13. Januar. «Aber das Leben auf der Insel muss weitergehen, deshalb wollten wir in den Ferien hierher kommen», erklärt Lucia ihre Entscheidung.
«Tages-Tourismus hat zugenommen»
Hunderte Touristen teilen ihre Meinung und lassen sich im Hafen mit dem Wrack im Hintergrund fotografieren. Andere baden am Strand vor der Kulisse des havarierten Luxusliners. «Wir haben diese Geschichte im Fernsehen gesehen, die nun den Tourismus anheizt», sagt Ettore aus Florenz, bevor er sich in die Fluten stürzt.
«Der Tages-Tourismus hat zugenommen», sagt auch der Bürgermeister von Giglio, Sergi Ortelli. «Die Schaulustigen kommen, um ein Foto des Schiffs zu machen, das auf den Felsen liegt.» Die Besucher seien sehr neugierig und besuchten Giglio «ein bisschen wie ein Museum», ergänzt Ortelli, der auf der Insel Ferienwohnungen und Motorroller vermietet.
Weniger Hotelreservierungen
Der grüne Tourismus, auf den die für ihr sauberes Meer bekannte Insel setze, leide allerdings unter dem Unglück. Die Zahl der Hotelreservierungen und Vermietungen von Ferienwohnungen sei zurückgegangen. Doch das liege vielleicht auch an der Finanzkrise, sagt der Bürgermeister.
Er hoffe, dass das Wrack schnell weggeschleppt werde, ergänzt Ortellis für die Umwelt zuständiger Stellvertreter Alessandro Centurioni. «Die Costa ist jetzt Teil unserer Landschaft, hat sie aber auch verändert. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, fühle ich Schmerz und Trauer.»
Abtransport im Frühjahr 2013
Nach den Plänen der Behörden soll das Wrack im Frühjahr 2013 abtransportiert werden. Allerdings ist das eine komplizierte Aktion, bei welcher der Koloss erst wieder aufgerichtet werden muss, bevor er in einen Hafen geschleppt und dann zerlegt werden kann.
Derweil versucht die Justiz weiterhin, die Verantwortlichen des Unglücks zu belangen. Gegen neun Leute läuft ein Ermittlungsverfahren, unter ihnen der Kapitän Francesco Schettino, der das Schiff noch vor den letzten Passagieren verlassen hat.
(sda)