Kochen für die VIPs«Dann müssen wir halt improvisieren ...»
Martin Bieri macht Steh-Lunches für die Mächtigsten der Welt. Der 30-jährige WEF-Küchenchef über die Vorlieben seiner illustren Gäste und die Probleme mit deren Entourage.
- von
- Sabina Sturzenegger

Wenn die Mächtigen aus Wirtschaft und Politik kommen, muss auch das Essen stimmen. Martin Bieri, Chefkoch des Kongresszentrums (rechts), mit seiner Crew.
Herr Bieri, was haben Sie gerade gekocht?
Ich habe nicht gekocht. Ich komme aus einem Meeting mit der chinesischen Delegation. Die chinesischen Köche wollten die Lebensmittel inspizieren.
Wie bitte? Erklären Sie uns das.
China ist eines der Gastländer dieses Jahr am WEF und deshalb gibt es auch chinesisches Essen. Die chinesischen Köche sind selber vor Ort und wollten sich vergewissern, dass wir die richtigen Lebensmittel haben.
Und, waren sie zufrieden?
Wir werden alle Zutaten hier besorgen müssen, denn aus China dürfen keine Lebensmittel direkt importiert werden. Aber ich denke, es klappt.
Welches sind die anderen Gastländer? Was kommt da noch auf Sie zu?
Es sind Brasilien und Aserbaidschan. Bei Brasilien sehe ich keine Probleme, weder mit dem Import noch mit den Zutaten, die wir hier bereitstellen. Aber mit Aserbaidschan könnte es noch interessant werden: Die Lebensmittel befanden sich lange am Zoll – mal sehen, ob sie noch rechtzeitig hier in Davos ankommen. Sonst müssen wir halt improvisieren.
Erzählen Sie von anderen Überraschungen?
Am Mittwoch kam Bundeskanzlerin Angela Merkel früher als erwartet. Zum Glück hatten wir das Essen trotzdem rechtzeitig parat.
Stehen Sie noch selber am Herd?
Nein, während des WEF komme ich nicht dazu. Ich organisiere den Ablauf, überwache die Rezepte und Speisen oder mache Bestellungen. Zudem habe ich immer viele Besprechungen im Verlauf des Tages.
Wie viele Leute sind Ihnen unterstellt?
Zurzeit sind es 41 Köche und 11 Hilfsköche. Im Service arbeiten nochmals gegen 100 Personen.
Was erwarten die Gäste kulinarisch?
Meist müssen es Steh-Lunches sein mit warmen und kalten Speisen sowie Fingerfood. Das ist heute die beliebteste Art, um viele Gäste auf einmal zu verköstigen.
Von wie vielen Gästen sprechen Sie?
Gerade haben wir etwa 6000 kleine Gläschen zubereitet. Die einen mit Forellenmousse, die andern mit Gemüsesalat und Schafskäse. Dazu kommen Fleischspiesschen vom Hirsch oder vom Rind mit einem leichten Dip.
Das klassische Canapé ist nicht mehr gefragt?
Canapés sind etwas überholt.
Wie viel kostet ein solches «Menü» pro Person?
Ich darf Ihnen keinen Preis verraten, aber es ist ein recht durchschnittlicher Preis. Die Vorstellung, dass wir für die WEF-Teilnehmer überdurchschnittlich teuer kochen, ist falsch.
Wie sieht Ihr Tagesablauf während des WEF aus?
Ich fange etwa um sechs Uhr morgens an: Da machen wir rund 500 Frühstück. Dann mache ich Bestellungen und überwache die eingehenden Lieferungen. Dann habe ich Meetings mit Köchen, ich muss spontane Bestellungen von WEF-Kunden bearbeiten, Buffets aufbauen, Rezepte kontrollieren...
Wann ist Ihr Tag zu Ende?
Nicht vor Mitternacht.
Welches ist die grösste Herausforderung in Ihrem Job?
Dass an einem Tag wie am Mittwoch, an dem ein hoher Gast wie Angela Merkel kommt, nichts schief läuft. Wir dürfen die Gäste nicht warten lassen, wenn sie zu früh da sind. Und die Speisen dürfen nicht kalt sein, wenn sie zu spät kommen.
Martin Bieri (30) ist seit eineinhalb Jahren Chefkoch in der Gastronomie Kongresszentrum und des à la carte Restaurants Extrablatt in Davos. Heuer trägt er erst zum zweiten Mal die Verantwortung bei der Verpflegung aller WEF-Gäste.