«Time-Out» mit Klaus ZauggDarf man einen Eishockey-Manager schlagen?
Eishockey ist ein rauer Sport. Im richtigen Leben müssten wir den tätlichen Angriff von Servettes Chris McSorley gegen Lausannes Manager Gérard Scheidegger schärfstens verurteilen. Im Eishockey gehören solche Vorfälle schon (fast) zum Alltag, findet 20-Minuten-Online-Kolumnist Klaus Zaugg.
- von
- Klaus Zaugg
Servettes Mitbesitzer, Manager und Trainer Chris McSorley soll im Rahmen einer Geburtstagsparty Lausannes Manager Gérard Scheidegger spitalreif geschlagen haben. Dieser Vorfall, von verschiedenen Medien publik gemacht, müsste eigentlich eine Welle der Empörung auslösen.
Nicht so im nationalen Eishockey-Business. Natürlich ist die Antwort auf die Frage, ob man einen Manager schlagen dürfe, ein entschiedenes «Nein!». Aber wenn sich ein Vorfall in einem gewissen Rahmen hält und sich eishockeyintern regeln lässt, dann wird weltweit, auch in der NHL, inoffiziell bei solchen Begebenheiten kein Büro aufgemacht. Und schon gar nicht bei Chris McSorley.
McSorley ist kein unbeschriebenes Blatt
Erstens ist der Kanaadier als Hitzkopf legendär. Als Spieler brachte er es 1985/86 in der Farmteamliga IHL in 75 Spielen auf sage und schreibe 545 Strafminuten. Und sein Bruder Marty gilt als einer der bösesten NHL-Spieler aller Zeiten. Er war einst sogar Bewacher von Wayne Gretzky.
Zweitens gehören McSorleys Ausrutscher zur NLA wie die PostFinance Arena oder der HC Davos. Einzelrichter Reto Steinmann kann sich auf Anfrage nicht einmal mehr an alle Verurteilungen des kanadischen Feuerkopfes erinnern. Dreizehn oder fünfzehn Mal sei McSorley schon verurteilt worden. Weil er halt immer wieder gegen Funktionäre oder Schiris ausfällig wird.
Drittens ist Eishockey halt ein rauer Sport. Heftige Auseinandersetzungen gehören dazu. Aber hinterher auch die Versöhnung per Handschlag. Der tätliche Angriff auf Scheidegger (so er denn tatsächlich stattgefunden hat) trägt daher eher zum Amusement der Szene bei. Ein Spieleragent, dessen Name mir soeben entfallen ist, meinte spontan, er hätte eigentlich auch schon mal gerne das gleiche getan wie McSorley. Verbale und hin und wieder tätliche Auseinandersetzungen gibt es immer wieder. Ich bin auch schon dreimal von Trainern tätlich angegriffen worden und verstehe mich heute mit allen drei bestens.
«Money talks, bullshit walks»
Das ist die raue und faszinierende Kultur des Eishockeys. Die Karriere von Chris McSorley ist wegen dieser Posse keineswegs in Gefahr und für Servette ist sein Benehmen kein Problem. Die Empörung wird allerdings dann als wirkungsvolles Mittel eingesetzt, wenn es um Machtkämpfe geht. Ein echtes Problem hat McSorley nur, wenn ihm in Genf das Geld ausgeht oder wenn er nicht mehr genügend Spiele gewinnt. Dann wird er wie ein räudiger Hund aus der Stadt verjagt. Am Ende des Tages zählt in diesem Geschäft nur das Resultat und es gilt der zynische amerikanische Spruch: «Money talks, bullshit walks.»
Klaus Zaugg, 20 Minuten Online