Attacke auf Salman RushdieDarum gilt der Roman «Die satanischen Verse» bei Kritikern als Gotteslästerung
Der indisch-britische Schriftsteller ist bei einer Messerattacke schwer verletzt worden. Wegen seines Werks «Die satanischen Verse» wird er bereits seit mehr als 30 Jahren mit dem Tod bedroht.
Darum gehts
Salman Rushdies Buch «Die satanischen Verse» gilt bei Kritikern als Gotteslästerung. 1989 erliess der verstorbene oberste geistliche Führer des Iran, Ajatollah Ruhollah Chomeini, eine Fatwa gegen den Autoren. In dem Land wurden mehr als drei Millionen Dollar Belohnung für die Tötung Rushdies ausgesetzt. Mehrere Übersetzer des Werks wurden nachfolgend bei Angriffen verletzt oder sogar getötet, wie der 1991 bei einem Messerangriff ermordete Japaner Hitoshi Igarashi.
Mohammad Karamirad, Mitglied der Kommission für nationale Sicherheit und Aussenpolitik des iranischen Majless, sagte über die Fatwa von Khomeini: «Die Fatwa von Khomeini beruhte auf der Abtrünnigkeit von Salman Rushdie. Es war ein Urteil, das auf den heiligen Gesetzen des Islam beruht», wie «Die Welt» berichtet. Andere Stimmen im Iran stufen die «Satanischen Verse» als eine «Verschwörung des Westens» ein.
Das Buch trifft den Kern des muslimischen Glaubens, wenn Rushdie in Traumsequenzen einige der Lehren in Frage stellt und manchmal zu verspotten scheint. Muslime glauben, dass der Prophet Mohammed vom Engel Gibreel (Gabriel) besucht wurde, der ihm über einen Zeitraum von 22 Jahren die Worte Gottes vorlas. Mohammed wiederum wiederholte diese Worte seinen Anhängern gegenüber. Diese Worte wurden schliesslich niedergeschrieben und wurden zu den Versen und Kapiteln des Korans.
Rushdies Roman greift diese Grundüberzeugungen auf. Eine der Hauptfiguren, Gibreel Farishta, hat eine Reihe von Träumen, in denen er zu seinem Namensvetter, dem Engel Gibreel, wird. In diesen Träumen begegnet Gibreel einer anderen Hauptfigur auf eine Weise, die an die traditionelle islamische Erzählung von den Begegnungen des Engels mit Mohammed erinnert. Rushdie wählt einen provokanten Namen für Mohammed. Die Version des Propheten im Roman heisst Mahound – ein alternativer Name für Mohammed, der im Mittelalter manchmal von Christen verwendet wurde, die ihn für einen Teufel hielten.
Rushdie scheint «die göttliche Natur des Korans» in Zweifel zu ziehen
Darüber hinaus legt Rushdies Mahound dem Engel Gibreel seine eigenen Worte in den Mund und gibt seinen Anhängern Erlasse, die seine eigennützigen Ziele unterstützen. Obwohl Mahounds fiktiver Schreiber, Salman der Perser, im Buch die Echtheit der Rezitationen seines Meisters bestreitet, zeichnet er sie auf, als wären sie von Gott. In Rushdies Buch führt Salman beispielsweise bestimmte tatsächliche Passagen im Koran, die Männern «die Verantwortung für Frauen» übertragen und ihnen das Recht geben, Frauen zu schlagen, von denen sie «Arroganz befürchten», auf Mahounds «sexistische Ansichten» zurück. Durch Mahound scheint Rushdie die göttliche Natur des Korans in Zweifel zu ziehen.
Für viele Muslime impliziert Rushdie in seiner fiktiven Nacherzählung der wichtigsten Ereignisse der Entstehung des Islam, dass nicht Gott, sondern der Prophet Mohammed selbst die Quelle der offenbarten Wahrheiten ist. Zu Rushdies Verteidigung haben einige Wissenschaftler angeführt, dass er mit seinem «respektlosen Spott» untersuchen wollte, ob es möglich ist, Fakten von Fiktion zu trennen. Der Literaturexperte Greg Rubinson weist darauf hin, dass Gibreel nicht entscheiden kann, was real und was ein Traum ist.
Er setzt sich für freie Meinungsäusserung ein
Seit der Veröffentlichung der «satanischen Verse» hat Rushdie dafür plädiert, religiöse Texte zu hinterfragen. «Warum können wir nicht über den Islam debattieren?», sagte Rushdie 2015 in einem Interview. «Es ist möglich, Individuen zu respektieren, sie vor Intoleranz zu schützen und gleichzeitig skeptisch gegenüber ihren Ideen zu sein und sie sogar heftig zu kritisieren.» Diese Ansicht kollidiert jedoch mit der Sichtweise derjenigen, für die der Koran das Wort Gottes ist. Der 75-Jährige setzt sich seit langem für freie Meinungsäusserung ein und kritisierte offen religiösen Extremismus. Er ist ein früherer Präsident des Schriftstellerverbandes PEN America.
Das ist eine Fatwa
Nach dem Tod Khomeinis kündigte die iranische Regierung 1998 an, dass sie seine Fatwa nicht umsetzen und andere nicht dazu ermutigen werde, dies zu tun. Der aktuelle oberste geistliche Führer, Ajatollah Ali Chamenei, hat die Fatwa bislang nicht zurückgezogen. Bei Ausschreitungen wegen des Buchs wurden mindestens 45 Menschen getötet, darunter zwölf in der Heimatstadt von Rushdie in Mumbai in Indien. Zum Zeitpunkt der Verhängung der Fatwa sagte Rushdie, selbst gebürtiger Muslim, gegenüber der britischen Press Association: «Es stimmt nicht, dass dieses Buch eine Blasphemie gegen den Islam ist. Ich bezweifle sehr, dass Khomeini oder irgendjemand sonst im Iran das Buch gelesen hat oder mehr als nur ausgewählte, aus dem Zusammenhang gerissene Auszüge.» Nach diesen Ereignissen wurde er zu einem entschiedenen Verfechter der freien Meinungsäusserung.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Trauma erlitten?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK, Tel. 058 400 47 77
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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