Krebsrätsel gelöst: Darum ist Asbest so tödlich

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Krebsrätsel gelöstDarum ist Asbest so tödlich

Menschen können noch Jahrzehnte nachdem sie Asbest ausgesetzt waren, daran sterben. Schweizer Forscher haben jetzt herausgefunden, warum.

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In der Schweiz gilt seit 1989 ein Asbestverbot. Denn von asbesthaltigen Produkten, die vor dem Verbot verwendet wurden, kann eine Gesundheitsgefährdung ausgehen.

In der Schweiz gilt seit 1989 ein Asbestverbot. Denn von asbesthaltigen Produkten, die vor dem Verbot verwendet wurden, kann eine Gesundheitsgefährdung ausgehen.

iStock/Carterdayne
Die Gefahr besteht vor allem bei mechanischer Bearbeitung – schleifen, bohren, fräsen, brechen, sägen – von alten Gebäudeteilen, weil dabei grosse Mengen an Asbest freigesetzt werden können.

Die Gefahr besteht vor allem bei mechanischer Bearbeitung – schleifen, bohren, fräsen, brechen, sägen – von alten Gebäudeteilen, weil dabei grosse Mengen an Asbest freigesetzt werden können.

Keystone/Eddy Risch
Noch immer sterben in der Schweiz jährlich rund 100 Personen, die Kontakt mit dem gefährlichen Werkstoff hatten.

Noch immer sterben in der Schweiz jährlich rund 100 Personen, die Kontakt mit dem gefährlichen Werkstoff hatten.

iStock/Strathroy

Was genau richten Asbestfasern eigentlich im Körper an? Das war bislang nicht bekannt. Diese Wissenslücke haben Forscher um Emanuela Felley-Bosco vom Universitätsspital Zürich nun geschlossen, wie sie im Fachjournal «Oncogene» berichten.

Entgegen der landläufigen Meinung löst Asbest nicht Lungenkrebs aus, sondern gelangt durch die Lunge in eine Zellschicht, die sämtliche inneren Organe umgibt: ins sogenannte Mesothel. Weil das Lymphsystem die langen und spitzen Asbestfasern nicht entfernen kann, bleiben sie dort hängen und verletzen das Gewebe immer wieder aufs Neue.

Wundheilung setzt ein, Tumore entstehen

Dadurch wird eine Immunreaktion ausgelöst: Entzündungssignale werden ausgesandt und weisse Blutkörperchen angelockt. Im entzündeten Mesothel-Gewebe werden Signalstoffe für die Wundheilung aktiviert. Diese regen gleichzeitig aber auch die Zellteilung an und fördern damit die Bildung von Tumoren.

In Tests mit Mäusen stellten die Forscher zudem eine Häufung von Mutationen in der RNA – einer Art Arbeitskopie der DNA – fest. Sie gehen davon aus, dass unter anderem dadurch die Immunreaktion gedämpft wird. Das Resultat: Entstehende Tumorzellen werden nicht mehr konsequent bekämpft und es kann Krebs entstehen.

In anderen Worten: «Die chronische Exposition mit Asbest löst eine Art Wundheilung aus», sagt Felley-Bosco. «Dabei gerät das Immunsystem aus der Balance und bekämpft die entstehenden Tumore nicht mehr stark genug.»

Sehr ähnlich funktioniert dies auch bei Menschen, wie der Schweizerische Nationalfonds (SNF), der die Studie finanziell gefördert hat, mitteilte. In den Tumoren von Patienten mit einem schlechten Krankheitsverlauf war das Enzym, das die RNA mutiert, in grösseren Mengen vorhanden. Dies zeigt eine Analyse einer entsprechenden Gendatenbank.

Hoffnung auch für andere Krebsarten

«Bisher war der von Asbest verursachte Krebs eine Blackbox», wird Felley-Bosco in einer Mitteilung zitiert. Die Resultate seien nützlich, um schon die frühen Signale der Entzündung zu erkennen und eine spezifische Therapie gegen den Mesothel-Krebs zu entwickeln. «Eine Therapie gegen die Hemmer des Immunsystems ist ein vielversprechender Ansatz», so Felley-Bosco.

Die Entdeckungen könnten zudem zum Verständnis anderer Krebsarten beitragen, die durch chronische Entzündungen wie Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und Infektionen mit dem Magenkeim Helicobacter pylori verursacht werden können.

An der Studie waren die Universitätsspitäler Zürich, Genf und Toronto (Kanada) sowie die Universität Freiburg und die ETH Zürich beteiligt. (fee/sda)

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