Plastikstücke und ListerienDarum werden so viele Produkte zurückgerufen
Händler riefen in den letzten Monaten regelmässig Lebensmittelprodukte zurück. Was bedeutet das für den Konsumenten?
- von
- B. Zanni
Zwischen 2015 und 2018 hat sich die Zahl der Rückrufe mehr als verdoppelt. Video: bz
Allein im April rief der Handel fünf Lebensmittelprodukte zurück. Auch in den vergangenen Monaten wurden Produkte regelmässig eingezogen. Woher kommt diese Häufung? 20 Minuten beantwortet die wichtigsten Fragen:
Welche Produkte wurden zurückgerufen?
Am Dienstag rief die Migros den Pastasalat Caprese von Anna's Best zurück. Am selben Tag warnte (siehe Box) das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV vor dem Verzehr des Weichkäses Brillat Savarin von Claude Luisier Affinage, der von der Manor AG und Luisier verkauft wurde. Eine Woche zuvor hatte die Migros das M-Classic Pouletbrust-Geschnetzelte im Duo-Pack zurückgerufen.
Am 2. April bat Coop, die «Bretzel»-Milchschokolade von Lindt & Sprüngli nicht zu konsumieren. Gleichzeitig warnte das BLV vor einem Bärlauchprodukt des Grosshändlers Aligro.
Auch in den Monaten zuvor waren Produkte zurückgerufen worden. Im März wies die Migros beim Verzehr des Zwiebacks «Original B-Vitamine + Eisen» auf Verletzungs- und Erstickungsgefahr hin. Im Februar bat die Migros ihre Kunden, das «Alnatura Kinder Bircher Müsli» Kindern nicht mehr zum Verzehr zu geben.
Häufig riefen Grossverteiler Produkte auch wegen krankheitserregender Listerien zurück. Im März etwa betraf es Lachsprodukte, die Coop, Migros und Volg verkauften.
Warum wurden die Produkte zurückgerufen?
Die Grossverteiler begründeten die Rückrufe damit, dass sich in den Produkten gesundheitsgefährdende Inhalte befinden konnten.
Pastasalat Caprese von Anna's Best: weisse Plastikstückchen
Käse der Société Fromagère de la Brie: Listerien
M-Classic Pouletbrust-Geschnetzeltes im Duo-Pack: kleine Metallstücke.
«Bretzel»-Milchschokolade von Lindt&Sprüngli: kleine Plastikteilchen.
Bärlauch Aligro: Verunreinigung mit Pflanzenteilen von Aronstab
«Zwieback Original B-Vitamine + Eisen»: Durchsichtige Plastikstücke
«Alnatura Kinder Bircher Müsli»: Teile von Apfelstielen
Hat die Anzahl zurückgerufener Produkte zugenommen?
Aus den erfassten Rückrufen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zeichnet sich eine Zunahme ab. Zwischen 2015 und 2018 (das Jahr 2017 wurde nicht erfasst) hat sich die Zahl der Rückrufe mehr als verdoppelt. Die Migros begründet die Häufung bei ihren Produkten mit einem Zufall, da die Produkte in den meisten Fällen von unterschiedlichen Herstellern mit unterschiedlicher Wertschöpfungskette stammten. Bei der Migros sei die Anzahl der Rückrufe in den letzten Jahren zurückgegangen.
Sprecher Patrick Stöpper macht zudem darauf aufmerksam, dass der Lachsrückruf vorsorglich gewesen sei. «Zum Zeitpunkt des Rückrufs lag der Listerien-Wert bei keinem der getesteten Lachsprodukte über den gesetzlich festgelegten Grenzwerten.» Coop registriert pro Jahr im Schnitt zwischen einem und sechs Rückrufen und teilt mit, man stelle keine Zunahme fest.
Wie gelangen Plastikstücke oder Listerien in Lebensmittel?
Die Migros verweist bezüglich Fremdkörper auf unterschiedliche Gründe. Möglich ist ein maschineller Defekt oder menschliche Unachtsamkeit. Die Migros hält aber fest, die Maschinen regelmässig zu warten und streng zu kontrollieren. Auch würden die in den Produktionsablauf involvierten Personen nach strengen Protokollen agieren, um höchste Hygienestandards zu gewährleisten.
Listeriose-Bakterien kommen laut dem Bundesamt für Gesundheit BAG weltweit vor und werden meist durch Lebensmittel übertragen. In der Schweiz werden jährlich bis zu 80 Fälle gemeldet. Selten kann es zu einem Ausbruch kommen.
Produkten sieht man beim Verzehr die Verunreinigung selten an. Sollen Konsumenten ihren Einkaufskorb vor dem Essen besser ins Labor schicken?
«In aller Regel sind die Konsumenten gut geschützt vor verunreinigten Produkten», sagt Alex von Hettlingen, Sprecher der Stiftung für Konsumentenschutz SKS. Die Detaillisten seien sich bewusst, dass die Produkte sicher sein müssten, und träfen dementsprechend Vorkehrungen.
Die Migros etwa ruft lieber einmal mehr ein Produkt zurück, selbst wenn die Behörden dies nicht als nötig einstuften. «Ein grosser Teil der Migros-Kundinnen und -Kunden schätzt unsere Rückrufe sehr», sagt Migros-Mediensprecher Patrick Stöpper.
Ein Problem sieht die SKS in den Verpackungen. Verpackungen können auf den Inhalt schädliche Auswirkungen haben. Die SKS fordert deshalb schon lange, dass Behörden das Problem der verpackungsbedingten Verunreinigungen energischer angehen.
Warum bemerken die Händler gesundheitsgefährdende Produkte manchmal erst, wenn sie schon in den Verkaufsregalen stehen?
Die Migros macht darauf aufmerksam, dass in jedem Herstellbetrieb strenge qualitätssichernde Massnahmen und Kontrollen verankert sind. Dies ist sowohl während der Herstellung als auch bevor das Produkt den Betrieb verlässt der Fall. Da es sich aber um Stichproben handelt, kann es passieren, dass Produkte mit Mängeln trotzdem in den Verkauf gelangen.
Wie gefährlich ist es, wenn man ein Produkt mit Plastikstücken im Magen hat?
Dies hängt laut Migros von der Grösse der Fremdkörperstücke ab. Normalerweise werden kleine Plastikteile über die Verdauung wieder ausgeschieden. Ab einer gewissen Grösse der Stücke besteht Erstickungs- und Verletzungsgefahr.
Was passiert, wenn man ein mit Listerien befallenes Produkt gegessen hat?
Laut dem BAG verläuft die Infektion bei Personen mit normalen Abwehrkräften meistens milde in Form einer fieberhaften Erkrankung mit grippeähnlichen Symptomen oder Durchfall. Oft treten auch gar keine Symptome auf.
Bei Personen mit verminderten Abwehrkräften besteht das Risiko einer Hirnhautentzündung, Blutvergiftung oder Lungenentzündung. Sind schwangere Frauen infiziert, ist eine Fehlgeburt möglich. 2018 kam es in der Schweiz zu einer ungewöhnlichen Häufung von Listeriose-Fällen. Zwölf Menschen erkrankten, zwei starben.
Wie bemerken die Händer, dass ein bereits im Verkauf angebotenes Produkt gesundheitsgefährdend ist?
Die Händler führen eigene Kontrollen mittels Stichproben durch. Aber auch aufmerksame Kunden weisen auf Mängel hin.
Wie soll man vorgehen, wenn man durch ein zurückgerufenes Produkt einen Schaden erlitten hat?
Die Migros rät betroffenen Konsumenten, einen Arzt aufzusuchen und sich an ihre Krankenkasse beziehungsweise Unfallversicherung zu wenden, damit diese auf die Versicherung der Migros Regress nehmen kann. Die Stiftung für Konsumentenschutz empfiehlt unbedingt, sofort die Kaufquittung, Verpackung, das Lebensmittel (oder ein Bild davon), allfällige Teile, die sich darin befanden, die Arztdiagnose und Krankenkassenbelege aufzubewahren. Zudem soll der Betroffene schnellstmöglich den Kundendienst informieren.
Rückruf und öffentliche Warnung
Rückruf erfolgt, wenn ein gesundheitsgefährdendes Produkt die Konsumenten bereits erreicht hat. Das Unternehmen ist verpflichtet, genau über den Grund des Rückrufs sowie das betroffene Produkt zu informieren.
öffentliche Warnung ausgesprochen werden muss. «Öffentliche Warnungen erfolgen in der Regel bei einer schwerwiegenden Gesundheitsgefährdung», präzisiert BLV-Sprecherin Eva van Beek.