Streifenwagen der 70er: Das Auto, das Polizisten zu Tränen rührt

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Streifenwagen der 70erDas Auto, das Polizisten zu Tränen rührt

Der Volvo-Oldtimer der Kantonspolizei Zürich ist auch ein Filmstar. Früher war er täglich unterwegs und bei manch spektakulärer Verhaftung dabei, heute hat er Kultstatus.

Annette Hirschberg
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Annette Hirschberg

Es waren unter anderem Streifenwagen des Typs Volvo 144, die im Frühling 1975 in Birmensdorf ZH vorfuhren, um die Mitglieder der Anarchistischen Kampforganisation festzunehmen. Die terroristische Gruppe mit dem Codenamen «Annebäbi »war vor über 40 Jahren für mehrere Sprengstoffanschläge in der Schweiz verantwortlich und hatte direkten Kontakt zur RAF. So lieferte die Schweizer Zelle den deutschen Terroristen gestohlene Waffen, Munition und Sprengstoff aus Schweizer Armeedepots.

Während die terroristischen Handlungen von Annebäbi schon lange in Vergessenheit geraten sind, fährt der schwarz-weisse Polizei-Volvo hie und da noch durch die Strassen des Kantons. Natürlich hat sich einiges geändert. War er von 1968 bis 1978 das Standard-Fahrzeug der Verkehrspolizisten, ist er heute ein Einzelstück mit Kultstatus.

Geschwindigkeit wurde auf Wachspapier eingeritzt

Hervorgeholt wird er nur noch zu Repräsentationszwecken, etwa für Hochzeiten oder Pensionierungen von Polizisten, oder wenn Ereignisse aus seiner Zeit nachgestellt werden sollen. Darum ist der Oldtimer der Kantonspolizei auch ein Filmstar. Im SRF-Film «Lina», dem Gewinner des Schweizer Fernsehfilmpreises 2016, hatte er zum Beispiel einen Auftritt. Seine Umrisse schmücken sogar das Filmplakat.

«Es ist wirklich ein ganz spezielles Auto», schwärmt Stefan Oberlin, Sprecher der Kantonspolizei. An ihm könne man die alte Technik aufzeigen, die noch lange angewendet wurde. Besonders auffällig ist das Nachfahr-Messgerät TEL, das auf der Mittelkonsole liegt und während der Fahrt unablässig tickt. «Fuhr einer zu schnell, folgte man ihm in gleichbleibendem Abstand und schaltete die Aufzeichnung an», erklärt Oberlin. Eine Nadel ritzte dann die Geschwindigkeit auf Wachspapier ein.

Echte Hörner tuten im Motorraum

Der Polizeisprecher selbst fuhr bis weit in die 80er-Jahre noch Streifenwagen, die dasselbe System eingebaut hatten. Die Ritzspur diente später als Beweismittel für die ausgesprochene Busse. Oberlin: «Nach der Anhaltung musste der Temposünder den Streifen unterschreiben, damit später keine Verwechslung geltend gemacht werden konnte.»

Auch die Sirene im Volvo stammt aus einer Zeit, als Polizeiautos noch keine nennenswerte Elektronik hatten. Entsprechend sorgen ein echtes Cis- und Gis-Horn, die mit Pressluft betrieben werden und vor dem Kühlergrill unter der Motorhaube liegen, für das durchdringende Heulen des Patrouillen-Fahrzeugs. Weniger auffällig ist das Blaulicht. Es besteht aus einem einzigen runden Warndrehlicht, das je nach Funktion auch durch eine andere Farbe ersetzt werden konnte – etwa mit Orange für Schwertransporte.

«Der Volvo lässt niemanden kalt»

Im Innern wird man sich der technischen Entwicklung der letzten 40 Jahre bewusst: Man hat ein luftiges Gefühl und viel Rundum-Sicht. Dafür sorgen etwa ein dünnes Steuerrad, mangelnde Nackenstützen und schmale Säulen. Die Sitze sind weich und sofaartig – ganz anders als die heutigen Schalen. Und da ist noch dieser Geruch: Der Volvo riecht einfach so richtig nach Auto – wunderbar.

Fährt man mit diesem Fahrzeug durch Zürich, sieht man überall lachende Gesichter und Leute, die einem zuwinken. «Das Auto lässt niemanden kalt», sagt Oberlin. Am emotionalsten würden aber jene reagieren, die früher auch damit gefahren seien. «Manch ein Verkehrspolizist auf seiner letzten Fahrt vor der Pensionierung verdrückt eine Träne, wenn er sich in den Volvo

setzt.»

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