Entscheid des Bundesrats«Das E-Voting ist ein riesiges Verlustgeschäft»
Der Bundesrat legt die Einführung von E-Voting vorerst auf Eis. Kritiker sprechen von einem «grossen Reputationsschaden» für die Post, die hinter dem System steht.
- von
- jk
Der Bundesrat will E-Voting vorerst nicht als dritten ordentlichen Stimmkanal einführen, wie die Bundeskanzlei am Donnerstag bekanntgab. Obwohl die meisten Kantone und Parteien E-Voting grundsätzlich befürworten würden, sei die allgemeine Meinung, dass es für eine ordentliche Einführung noch zu früh sei. Damit reagiert der Bundesrat auch auf jüngste Ereignisse: Während das E-Voting System des Kantons Genf nicht mehr weiterentwickelt wird, sind beim System der Post gravierende Sicherheitslücken aufgedeckt worden.
Franz Grüter, SVP-Nationalrat und Präsident des Initiativkomitees «Ja zum E-Voting Moratorium» begrüsst den Entscheid des Bundesrats. Er geht ihm aber nicht weit genug: «Dass der Versuchsbetrieb mit dem E-Voting-System der Post weitergeht, ist unverständlich. Es hat gigantische Mängel. Wir fordern deshalb, dass der Bund während fünf Jahren beim E-Voting aussetzt und in dieser Zeit zusammen mit profilierten Forschern nach einer neuen, zufriedenstellenden Lösung sucht.»
Auch in Spanien hat das System versagt
Laut Grüter ist es kein Armutszeugnis der hiesigen digitalen Gesellschaft, dass bis heute kein E-Voting-System ohne Sicherheitslücken gefunden wurde. E-Voting sei nicht einfach mit Fortschritt und Innovation gleichzusetzen, denn: «In erster Linie geht es um die Vertrauenswürdigkeit und Korrektheit unseres Wahlsystems – am Ende also direkt um unsere Demokratie. Und diese ist höher zu gewichten als der Innovationsgedanke.»
Grüter übt Kritik an der Post. Diese habe neben den finanziellen Einbussen mit einem Reputationsschaden zu rechnen, vergleichbar mit jenem des Postautoskandals. «Es wurde stets betont, wie sicher das System sei. Über Nacht gelang es dann einer unabhängigen Hackerin, gravierende Mängel aufzudecken.» Die Post verwende ein E-Voting-System des spanischen Unternehmens Scytl. Dieses sei in Spanien bei der Europawahl im Mai eingesetzt worden und habe zu grossen Problemen und Chaos geführt.
Ein Artikel der «Republik» beschreibt, wie das System von Scytl in Spanien versagt hat. Mithilfe der Software waren die Papierstimmzettel zusammen gezählt worden. Da die Software falsch zählte, kam es zu unkorrekten Resultaten. Grüter: «Die Post hätte längst eingestehen müssen, dass Scytl nicht vertrauenswürdig sei, und vom System zurücktreten müssen.»
Post will E-Voting-System weiterhin anbieten
Gemäss Grüter wollten weder Bund noch Post bisher angeben, wie viel Geld sie ins E-Voting gesteckt haben. «Genaue Zahlen kenne ich nicht, ich bin mir aber sicher: Es ist ein riesiges Verlustgeschäft. Die Post wird Verluste in Millionenhöhe einfahren.» Über parlamentarische Anfragen wollten Politiker wie Claudio Zanetti (SVP) über die exakten Kosten des bisherigen E-Voting-Betriebs informiert werden. Der Bundesrat antwortete: Die Preisgestaltung sei Sache der Kantone und der Anbieter, diesen sei das Recht auf detaillierte Kostenangaben vorbehalten.
Die Post äussert sich auf Anfrage nicht zu den bisher angefallenen Investitionen und Zahlungen. Mediensprecher François Furer sagt, den Entscheid des Bundesrats nehme man zur Kenntnis. Wie schon in der Vergangenheit werde sich die Post bezüglich E-Voting an die Anforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen halten, die der Bund vorgebe. Weiter wird am eigenen E-Voting-System festgehalten: «Wir haben das Ziel, den Kantonen unser E-Voting-System im Rahmen des weiterlaufenden Versuchsbetriebs ab Herbst wieder anzubieten.»
So viel Geld hat der Bund ins erfolglose E-Voting gesteckt
Wie teuer das E-Voting die öffentliche Hand zu stehen kommt, zeigen die Zahlungen der Kantone, die in der Vergangenheit E-Voting-Lösungen der Post gekauft haben. Der Kanton Basel Stadt hat der Post Anfang 2017 über 5 Millionen Franken bezahlt – für Arbeiten zur Installation und zum Betrieb des E-Votings. Im selben Jahr zahlte Thurgau insgesamt knapp 750'000 Franken fürs E-Voting-System der Post.
Während Glarus rund 885'000 Franken investierte, zahlte der Kanton St. Gallen der Post kürzlich 2,2 Millionen Franken fürs E-Voting. Aarau schliesslich, wo das mittlerweile eingestellte Genfer System getestet wurde, liess sich das vor zwei Jahren knapp 2,3 Millionen Franken kosten. Das geht aus Zahlen zu öffentlichen Ausschreibungen hervor.