Economiesuisse sagt«Das Ende von Mühleberg ist nicht sehr bedeutend»
Kehrtwende bei der Economiesuisse: Energie-Experte Kurt Lanz glaubt nicht länger an die Zukunft der Kernkraft. Zumindest nicht in den nächsten zwanzig Jahren.
- von
- ala

«Ein GAU wie in Tschernobyl ist heute in der Schweiz nicht mehr möglich», sagt Kurt Lanz von der Economiesuisse. Im Bild das AKW Mühleberg.
Kurt Lanz: Das Ende von Mühleberg ist für das grosse Bild nicht so bedeutend. Damit fällt nur ein kleiner Teil der Stromproduktion weg. Eine Signalwirkung hat der Entscheid nicht, da man ihn aus betriebswirtschaftlichen Gründen gefällt hat.
Dann soll die Schweiz in Zukunft weitere Atomkraftwerke bauen?
Die nächsten zehn bis zwanzig Jahre gibt es sicher keine neuen AKW-Pläne. Einerseits kann das Volk kaum noch von neuen Kernkraftwerken überzeugt werden. Andererseits lohnen sich die Investitionen auch wirtschaftlich nicht mehr: Die steigenden Sicherheitsanforderungen, das Überangebot an Strom in Europa und die Förderung von erneuerbaren Energien machen die Kernkraft unrentabel. Darum stellen wir uns auf einen schrittweisen Ausstieg ein. Sollten sich die Sicherheits- und die Entsorgungsfragen in einigen Jahrzehnten deutlich verbessern, müsste man die Situation neu beurteilen.
Wie sicher soll ein AKW sein, damit man es bauen dürfte?
Ein GAU wie in Tschernobyl ist heute in der Schweiz nicht mehr möglich. Neuste Technologien reduzieren das Schadenpotential zudem deutlich: Im Moment testet man bereits Technologien, die eine Kernschmelze verunmöglichen.
Dennoch: Werden Kernkraftwerke nicht immer gefährlich bleiben?
Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Wenn man aber das Schadenpotential so begrenzen könnte, dass bei einem Unfall höchstens noch sehr lokaler Schaden entsteht, wäre das Risiko akzeptabel.
Es bliebe das grosse Problem der Entsorgung des Atommülls.
Das ist richtig. Es ist aber denkbar, dass man andere Rückbauformen findet als ein Endlager. Das zeichnet sich allerdings im Moment noch nicht ab. Wenn man dafür – und für die Sicherheitsrisiken – bessere Lösungen fände, sollte man über die Kernkraft wieder diskutieren können.
In einer Studie Anfang Jahres warnte Economiesuisse noch davor, dass die Schweiz mit der Energiewende bis zu zwei Jahrzehnten an Wachstum verlieren könnte. Warum diese plötzliche Kehrtwende?
Das ist keine Kehrtwende. Mit der Studie haben wir aufgezeigt, welche wirtschaftlichen Auswirkungen zu erwarten wären, wenn der Bundesrat seinen Plan umsetzen würde. Wir sind mit der Strategie des Bundesrates weiterhin nicht einverstanden. Dieser will die Nachfrage nach Strom durch eine hohe Besteuerung verkleinern. Solange keine bessere Lösung gefunden wird, könnte der Wegfall von Kernenergie auch anderswie kompensiert werden: zum Beispiel durch Stromimport oder durch neue Gas-Kombikraftwerke.Es ist zudem weiterhin unklar, wie man die Lücke, die mit dem Wegfall der Kernkraft entsteht, schliessen will.
Alternative Energien könnten die Lücke füllen – und gleich noch die Wirtschaft in Schwung bringen.
Eine staatliche Subventionspolitik kann hier keinen neuen Schwung bringen – ausser für die Empfänger der Subventionsgelder. Als Innovationsstandort für nachhaltige Technologien ist die Schweiz aber sicher gut aufgestellt.