WashingtonDas enthüllen die Kennedy-Akten
Von Hinweisen, dass Lee Harvey Oswald im Auftrag Russlands gearbeitet hatte, bis hin zur geplanten Ermordung Castros: Einige brisante Details der veröffentlichten JFK-Akten.
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Die Verschwörungstheorien kamen in den Jahrzehnten seit dem Attentat auf John F. Kennedy nicht zum Erliegen. Obwohl Kritiker bezweifeln, dass die eben freigegebenen Geheimakten die nötigen Antworten auf noch unbeantwortete Fragen liefern werden, geben sie noch unbekannte Details preis. Die vom «Telegraph» aufgenommenen Einzelheiten beleuchten nicht nur den Fall JFK, sondern auch Geschehnisse der Weltgeschichte, die sich zur selben Zeit abspielten. So ist in den Akten nicht nur die Sprache von Russlands Angst vor einem Vergeltungsschlag der USA, sondern auch von US-Plänen, Fidel Castro zu ermorden.
Am 22. November 1963 wurde der 35. US-Präsident John F. Kennedy (JFK) auf einer Wahlkampfreise in Dallas, Texas, erschossen. Der mutmassliche Attentäter Lee Harvey Oswald wurde zwei Tage später erschossen. Die Version wurde vor allem von Verschwörungstheoretikern immer wieder angezweifelt. Experten gehen indes davon aus, dass die nun freigegebenen Dokumente weder aufsehenerregende Enthüllungen nach sich ziehen noch die Verschwörungstheorien verstummen lassen.
Bis heute waren alle Akten zum Attentat unter Verschluss. Die CIA und das FBI haben kurz vor der etwas verspäteten Veröffentlichung noch einige zurückgehalten, jetzt sind vom US-Nationalarchiv 2800 Dokumente veröffentlicht worden. Die nun erstmals der Öffentlichkeit freigegebenen Akten zeigen in erster Linie, wie die FBI-Agenten in den Tagen nach dem 22. November 1963 jedem Hinweis, jedem Gerücht, jeder Spur weltweit nachjagten. Doch die am meisten verfolgten Spuren führten nach Kuba und Russland.
Russland und der KGB
Ein FBI-Dokument vom 23. November 1963 beschreibt ein Treffen Oswalds mit Waleri Wladimirowitsch Kostikow, einem Beamten der russischen Botschaft und KGB-Agenten, rund zwei Monate vor dem Attentat. Kostikow soll für das berüchtigte 13. Departement des KGB gearbeitet haben, das unter anderem für Auftragsmorde zuständig war. Das Treffen der beiden hat laut FBI-Dokument am 28. September 1963 in der sowjetischen Botschaft stattgefunden. Man wisse davon, weil Oswald selbst davon gesprochen habe: Als Oswald wenig später in gebrochenem Russisch mit der Botschaft telefonierte, hörte das FBI mit. Oswald erwähnte das Treffen mit Kostikow und erkundigte sich, ob es Neues zum Telegramm nach Washington gebe. Das FBI ging davon aus, dass es sich dabei um einen Visa- oder Passantrag Oswalds handelte.
Ein anderes Dokument enthält Hinweise darauf, dass Oswalds Tod sogar hätte verhindert werden können. Am 24. November 1963 wurde Lee Harvey Oswald von Jack Ruby, einem Nachtclubbesitzer aus Dallas, erschossen. Gemäss der Mitschrift eines Gesprächs mit FBI-Direktor J. Edgar Hoover am selben Tag war eine Nacht vor dem tödlichen Attentat auf Oswald eine Drohung eingegangen. Ein Mann habe sich telefonisch beim FBI in Dallas gemeldet und als Mitglied eines Komitees zur Ermordung Oswalds ausgegeben. Der Polizeichef vor Ort habe Hoover danach jedoch zugesichert, dass Oswald genügend geschützt sei. «Aber das war nicht der Fall», so Hoovers Worte laut dem Dokument. «Ruby sagte, dass niemand ausser ihm involviert war, und bestritt, den Anruf getätigt zu haben.»
Hartnäckigen Verschwörungstheorien zufolge steht Russland hinter Kennedys Ermordung. Der ranghohe KGB-Abtrünnige Juri Nosenko hat diese Verbindung jedoch stets bestritten. Oswald, der in den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren in der Sowjetunion wohnte, sei zu keinem Zeitpunkt ein Agent des KGB gewesen. Doch nicht jeder glaubte Nosenko. Tennent H. Bagley war im Rahmen der CIA-Sowjetdivision für Nosenko zuständig. Eines der jetzt veröffentlichten Dokumente enthält einen Brief Bagleys an das Komitee für Ermordungen: «Falls Nosenko vom KGB eingeschleust wurde, wovon ich überzeugt bin, kann es keinen Zweifel darüber geben, dass Nosenkos Geschichte über Oswald in der Sowjetunion eine Nachricht des KGB ist. Auf übertriebene und unglaubwürdige Art wurde uns mitgeteilt, dass Oswald nichts mit dem KGB zu tun hatte. Durch das Schicken einer solchen Nachricht legt der KGB offen, dass er etwas zu verstecken hat. Dieses Etwas könnte der Fakt sein, dass Oswald ein Agent des KGB war. »
Russland hat sich gemäss einem Dokument Hoovers auch direkt zu Oswald geäussert. «Gemäss unserer Quelle haben russische Offizielle behauptet, dass Lee Harvey Oswald keinerlei Verbindung zur Sowjetunion hatte. Sie beschrieben ihn als einen neurotischen Wahnsinnigen, der sich gegenüber seinem eigenen Land illoyal verhalten habe. Oswald habe nie einer Organisation in der Sowjetunion angehört und nie die sowjetische Staatsbürgerschaft erhalten.» Weiter ist in der Akte von der Überzeugung Russlands die Rede, dass es sich um einen versuchten Putsch der Ultrarechten oder gar Präsident Johnson gehandelt habe. Die Sowjetunion hatte Angst vor einem Vergeltungsanschlag der USA. «Unserer Quelle zufolge haben die sowjetischen Beamten Angst vor dem Fall, dass ohne Führung ein unverantwortlicher General eine Rakete Richtung Sowjetunion schicken könnte.»
Bis zum Attentat hielt sich Oswald für sechs Tage lang in Mexiko-Stadt auf. Gegenüber den Behörden sagte er aus, dass er kubanische und sowjetische Botschaften um Visa ersucht habe. Doch Oswalds Zeit in Mexiko bleibt bis heute ein Rätsel. In den JFK-Akten tauchen Verweise auf, dass in Zusammenarbeit mit der mexikanischen Regierung mehrere Botschaften verwanzt und abgehört wurden.
Eine Kopie eines Dokumentes vom 26. November 1963 wurde zwar bereits im Juli publiziert, jedoch nie öffentlich diskutiert. Darin enthalten ist eine Notiz an den FBI-Direktor, dass eine britische Lokalzeitung 25 Minuten vor dem Attentat einen anonymen Anruf erhalten habe, der «grosse News» ankündigte. Der Anrufer wies um 18.05 Uhr am Abend des Attentats den Reporter der «Cambridge News» an, die amerikanische Botschaft in London zu kontaktieren, und hängte gleich wieder auf. Als sich die Meldung um den Tod des US-Präsidenten verbreitete, meldete die Zeitung den Anruf der Polizei in Cambridge, die darauf den britischen Geheimdienst MI5 in Kenntnis setzte.
Kuba und Castro
So steht in den JFK-Akten nicht nur einiges über mögliche Verbindungen Oswalds zu Russland, auch andere Aktivitäten der US-Regierung sind nun publik geworden, beispielsweise die Tatsache, dass man im Geheimen versuchte, Fidel Castro zu stürzen. In einer Aufstellung einer CIA-Kommission von 1975 steht geschrieben, dass sich die CIA zu dieser Zeit überlegt habe, den kubanischen Führer mithilfe von «Mafiamethoden» umzubringen. Ausserdem habe man Waffen in die Dominikanische Republik an Personen geliefert, die Generalísimo Trujillo ermorden sollten.
Ein anderes Dokument enthält die brisanten Aufzeichnungen eines Treffens vom 14. September 1962 einer Gruppe von Kennedys höchsten Beratern, inklusive dessen Bruder Robert und des Staatsanwalts. Darin wurden mögliche Vorgehensweisen gegen das kommunistische Regime Castros besprochen.
Eine weitere besprochene Taktik war die «Operation Bounty». Sie soll die «kubanischen Kommunisten durch Misstrauen unter Druck setzen». So wurde eine Kopfgeld-Preisliste erstellt, die aus der Luft in Kuba verteilt werden sollte. Je nach dem Rang gefangener oder getöteter Kommunisten verändert sich das von den USA ausbezahlte Preisgeld.
Kurz nach dem Attentat rief der nachfolgende Präsident Lyndon B. Johnson zur Aufklärung der Ermordung die Warren-Kommission ins Leben. Diese kam ein Jahr später zum Schluss, dass Oswald allein gehandelt und es keine Verschwörung gegeben habe. Doch gemäss weiteren Untersuchungen haben CIA, FBI sowie Secret Service wichtige Informationen vor der Kommission verheimlicht. Es folgten zahlreiche weitere Untersuchungen, die zwar weitere Fakten aufdecken konnten, jedoch nie vollständig das Rätsel um Kennedys Ermordung lösten.