Jeannine Pilloud«Das Fundament für tiefere Ticketpreise ist gelegt»
Die Chefin des SBB-Personenverkehrs, Jeannine Pilloud, tritt zurück. Im Interview spricht sie über den Swisspass, Ticketpreise und ihre Bilanz.
- von
- Stefan Ehrbar
Die Nummer zwei der SBB, Personenverkehrschefin Jeannine Pilloud, tritt auf Ende Jahr von ihrem Job zurück. Ab 2018 wird sie die neu geschaffene Stelle der «SBB Delegierten für öV-Branchenentwicklung» übernehmen. Mit welchen Themen sie sich dort beschäftigen wird und weshalb sie nun zurücktritt, verrät Pilloud im Interview.
Frau Pilloud, nach knapp sieben Jahren geben Sie die Führung des SBB-Personenverkehrs ab. Wieso?
Seit April 2016 bin ich zusätzlich Chefin des Schweizer Direkten Verkehr. Auf dem Programm stehen viele Punkte. Es wurde immer mehr. Durch eine Person ist das zusätzlich zu meinen Aufgaben nicht mehr zu bewältigen. Zudem ist es besser, die beiden Hüte – SBB und Branche – zu trennen und die Zuständigkeiten klar zu regeln. Die SBB ist die grösste Transportunternehmung und hat oft den Lead, aber es ist wichtig, dass alle mitziehen. Ich führte den Personenverkehr sehr gerne, freue mich nun aber auch auf meine neuen Herausforderungen. In der Branche sind wir wichtige Dinge angegangen, etwa den Swisspass.
Was waren Ihre Highlights der letzten Jahre?
Wir haben die Kundenzufriedenheit gesteigert und mit der Nova-Plattform eine einheitliche Datenbank eingeführt, mit der auch der Swisspass möglich wurde. Und nie haben mehr Schweizer ein GA oder Halbtax besessen. Zudem sind wir in den letzten zwei, drei Jahren pünktlicher geworden – auch wenn der November sicher kein Highlight war.
Von aussen hat man Eindruck einer zerstrittenen Branche, für Ticketing-Lösungen gibt es mehrere Anbieter, die SBB und BLS kämpfen im Fernverkehr gegeneinander. Wieso gibt es keine Einigkeit?
Die Branche ist nicht zerstritten. Bezüglich der Ticketing-Lösungen: Jede einzelne Technologie wird getestet und ausgewertet. Alle Unternehmen werden ihre Ergebnisse teilen. Dann werden wir nächstes Jahr entscheiden, welche Standards verbindlich sein sollen.
2012 haben Sie dem SRF gesagt, der Service im Zug müsse besser werden. Haben Sie das erfüllt?
Dieses Versprechen hat damit zu tun, wie unsere Kundenbegleiter auftreten. Da haben wir viel erreicht. Auch der Swisspass hat viel bewirkt. Wer heute sein GA zu Hause vergisst, hat kein Problem mehr. Die digitalen Tickets sind viel komfortabler, und unsere Zugbegleiter müssen nicht mehr mit den grossen, schweren Geräten herumlaufen.
Nun gehen Sie, die erste Frau im Topmanagement der SBB, und werden durch einen Mann ersetzt. Stört Sie das?
Toni Häne ist heute mein Stellvertreter und kennt die Themen sehr gut. Er ist mein Wunschkandidat für meine Nachfolge. Ich bin ja auch nicht ganz weg und werde weiterhin präsent sein.
Die Beziehung mit dem Eigentümer der SBB, dem Bund, scheint sich verschlechtert zu haben. Erst hat er Fernbusse zugelassen, dann Konkurrenz im Fernverkehr und nun im internationalen Verkehr. Wieso?
Das deckt sich nicht mit meiner Einschätzung. Die Fernbusse und andere Verkehrsträger müssen ins gleiche System integriert werden. Aber klar ist auch: Es müssen gleich lange Spiesse für alle gelten. Zum Beispiel im Bereich Arbeitsbedingungen. Es kann nicht sein, dass ein Anbieter auf Kosten der anderen deutlich günstiger sein kann. In Zukunft werden auch Car-Sharing-Services und der intermodale Wettbewerb mehr eingebunden.
Viele Pendler haben das Gefühl, der Service sei abgebaut worden. Es gibt keine Minibars mehr, zwischenzeitlich gab es keinen Ticketverkauf mehr in den Zügen, S-Bahnen werden abends nicht mehr begleitet. Was entgegnen Sie?
Es ist nun mal so, dass durch die digitalen Kanäle immer weniger Tickets im Zug verkauft werden. Und was die Verpflegung anbelangt: Wir versprechen neu in jedem Intercity-Zug einen Speisewagen. Damit ist das Angebot viel besser als mit den Minibars, auf die sich unsere Kunden nicht immer verlassen konnten.
Ein ewiges Ärgernis sind auch die neuen Bombardier-Züge. Gehen Sie nun, da diese endlich kommen?
Die Entscheidung fiel unabhängig davon. Es sind die Branchenthemen, die immer mehr Zeit beanspruchen.
Sie haben immer wieder Dinge ausprobiert, die nicht immer funktioniert haben – Stichwort Starbucks-Wagen. Würden Sie im Rückblick etwas anders machen?
Pilot-Projekte muss man immer machen. Wir haben dadurch ganz viele Sachen gelernt. Die Start-up-Mentalität muss man immer haben. Wichtig ist, den Mut zu haben, misslungene Projekte auch wieder schnell zu beerdigen.
Ein ewiges Ärgernis sind die Ticketpreise. Was haben Sie bewirkt?
Wir haben definitiv das Fundament gelegt, damit die Preise in Zukunft stabilisiert oder gar gesenkt werden können. Wann genau, hängt auch vom Bund und den Kantonen ab.
Was nehmen Sie mit für die Zukunft?
Unsere Kundinnen und Kunden sind das wichtigste Gut, das wir haben. Das ist eine tägliche Herausforderung.

Jeannine Pilloud
Die 53-jährige Pilloud ist seit 2011 Chefin des SBB-Personenverkehrs. Zuvor arbeitete sie etwa bei IBM, der Bon Appétit Group und T-Systems. Pilloud ist ehemalige Leistungsschwimmerin und lebt mit ihrer vierköpfigen Familie im zürcherischen Zollikon.