Reisen ins Ausland - Das gelbe Impfbüchlein ist heiss begehrt

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Reisen ins AuslandDas gelbe Impfbüchlein ist heiss begehrt

Weil das Zertifikat noch nicht anerkannt ist, empfehlen Impfzentren Reisewilligen das gelbe WHO-Impfbüchlein. Doch dieses hat seine Schwächen.

von
Bettina Zanni
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Impfzentren empfehlen doppelt Geimpften, sich zum Reisen das gelbe Impfbüchlein der World Health Organization (WHO) zuzulegen.

Impfzentren empfehlen doppelt Geimpften, sich zum Reisen das gelbe Impfbüchlein der World Health Organization (WHO) zuzulegen.

20 Min
Eine Zürcherin berichtet, dass ihr am Samstag im Impfzentrum Meilen ZH geraten worden sei, in der Apotheke nebenan das gelbe Impfbüchlein zu kaufen.

Eine Zürcherin berichtet, dass ihr am Samstag im Impfzentrum Meilen ZH geraten worden sei, in der Apotheke nebenan das gelbe Impfbüchlein zu kaufen.

20min/Celia Nogler
Das Okay der Europäischen Union (EU) für das Schweizer Covid-Zertifikat (siehe Box) lässt jedoch auf sich warten.

Das Okay der Europäischen Union (EU) für das Schweizer Covid-Zertifikat (siehe Box) lässt jedoch auf sich warten.

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Darum gehts

  • Das Covid-Zertifikat soll laut BAG in naher Zukunft von der EU anerkannt werden.

  • In Apotheken ist derweil die Nachfrage nach dem gelben Impfbüchlein gross.

  • Würden Geimpfte in Impfzentren zum Kauf dieses WHO-Dokuments ermuntert, erwecke dies einen falschen Eindruck, sagt Gesundheitspolitiker Marcel Dobler (FDP).

Die Sommerferien sind in einzelnen Kantonen bereits gestartet, in anderen rücken sie immer näher. EU-weit ist das Zertifikat seit dem 1. Juli verfügbar. Das Okay der EU für das Schweizer Covid-Zertifikat (siehe Box) lässt jedoch auf sich warten.

«Der Bund rechnet mit einer Anerkennung des Schweizer Covid-Zertifikats in naher Zukunft», sagt BAG-Mediensprecherin Nani Moras auf Anfrage. Ein offizieller Termin sei noch nicht bekannt. «Für die Anerkennung des Schweizer Covid-Zertifikats durch die EU bedarf es eines entsprechenden Prozesses; dieser ist im Gange.»

«Verkaufen stündlich mehrere Büchlein»

Impfzentren empfehlen doppelt Geimpften deshalb, sich zum Reisen das gelbe Impfbüchlein der World Health Organization (WHO) zuzulegen. Eine Zürcherin berichtet, dass ihr am Samstag im Impfzentrum Meilen ZH geraten worden sei, in der Apotheke nebenan das gelbe Impfbüchlein zu kaufen. «Der Angestellte im Impfzentrum sagte, er habe gehört, dass es sicher noch drei Monate dauere, bis die EU das Schweizer Covid-Zertifikat anerkennt», sagt sie.

Die zweifränkigen Büchlein sind in den Apotheken heiss begehrt. «Wir verkaufen stündlich mehrere gelbe Impfbüchlein», sagt Yves Platel, Co-Geschäftsführer der Amavita Bahnhof Apotheke in Zürich. Die Kundinnen und Kunden wollten für ihre Reise «etwas in der Hand» haben.

Auch Sarah Schneider, Verwalterin der Schloss Apotheke in Bern, bestätigt: «Wir verkaufen pro Woche sicher 20 bis 30 gelbe Impfbüchlein.» Manche Geimpfte befürchten, etwas verpasst zu haben. Ein Thurgauer, der seine zweite Impfung am 29. Juni erhielt, sagt: «Die Angestellten im Impfzentrum erwähnten das gelbe Impfbüchlein mit keinem Wort, sondern verwiesen auf das Impf-Zertifikat in der App.»

Falscher Eindruck werde erweckt

Länder wie Österreich und Italien akzeptieren zurzeit den WHO-Impfausweis. Gesundheitspolitiker Marcel Dobler beobachtet den Run darauf jedoch kritisch. «Es bringt nichts, wenn jetzt alle auf Vorrat ein gelbes Impfbüchlein kaufen.» Würden Geimpfte in Impfzentren zum Kauf dieses WHO-Dokuments ermuntert werden, erwecke dies einen falschen Eindruck, so der FDP-Nationalrat. «Geimpfte meinen dann, sie könnten problemlos überall hinreisen und kommen unter Umständen an der Grenze auf die Welt, weil sie sich nicht mehr über die Bestimmungen ihres Ferienlandes informierten.»

Auf der sicheren Seite sind Reisefreudige laut Dobler, wenn sie ihren Aufenthalt über ein Reisebüro buchen. «Diese informieren auch sofort, wenn sich die Einreisebestimmungen ändern. Auf eigene Faust Ferien zu buchen, ist in der Pandemie mutig.»

Dokument habe keinen rechtlichen Charakter

Beim Schweizerischen Apothekerverband pharmaSuisse heisst es, dass die Empfehlung der Impfzentren nicht mit dem Verband angesprochen worden sei. «Das Impfbüchlein hat als Reisedokument keinen rechtlichen Charakter und ist daher auch nicht verbindlich, ausser bei der Impfung gegen Gelbfieber.»

Auch das BAG hält fest, dass das gelbe WHO-Zertifikat nicht das Ticket für die Ferien ins Ausland ist. «Ob mit oder ohne Covid-Zertifikat oder anderen Nachweisen wie das Impfbüchlein – Reisenden wird weiterhin dringend empfohlen, sich im Vorfeld über die aktuellen Einreisebestimmungen des Ziellandes zu informieren», sagt BAG-Mediensprecherin Nani Moras. Auch Sarah Schneider rät, am besten mit dem internationalen Impfausweis, dem Aufgebot von der Impfstelle und mit dem Covid Zertifikat zu reisen.

Touristen machten sich zu grosse Sorgen

Als Reisezertifikat genügt das Impfbüchlein zudem nicht, weil es nicht fälschungssicher ist. So kann man auf dem Schwarzmarkt für 250 Franken den Impfpass inklusive Fake-Corona-Impfung ergattern.

Den Erfahrungen von Datenschutz-Experte Martin Steiger zufolge machen sich viele Schweizer zu grosse Sorgen um das Reisen rund um Impf-Ausweise. «Mir sind einige Touristen bekannt, die sich auf einen grossen Papierkrieg vorbereiteten, am Ende aber nicht einmal kontrolliert wurden.» Oft würden nur Stichproben gemacht. «Ein Kollege freute sich fast, als er nach der Landung auf Mallorca zur Kontrolle rausgeholt wurde», sagt Steiger lachend.

«Wird noch lange dauern bis zur Anerkennung»

Damit das Covid-Zertifikat der Schweiz mit demjenigen der EU kompatibel ist, muss die EU dieses formell anerkennen. Ziel des «EU Digital COVID Certificate» ist es laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG), das sichere Reisen während der Covid-19-Pandemie zu erleichtern. Es soll ab dem 1. Juli 2021 breit zur Anwendung kommen. Ab diesem Zeitpunkt ist eine sechswöchige Übergangsphase vorgesehen. Bis zum Ende dieser Phase haben die Staaten Zeit, das Zertifikat einzuführen. Wie das Zertifikat eingesetzt werden kann, entscheiden die einzelnen Staaten.

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