PSYCHIATER ERKLÄRTDas lösen Gaffer bei Betroffenen von Unglücken aus
Bei Bränden in Rorschach und Bischofszell tauchten viele Schaulustige auf. Darauf gab es Kritik an den diversen Gaffern. 20 Minuten fragte den forensischen Psychiater Thomas Knecht, was die Gafferei bei den Betroffenen auslöst und wie man stattdessen helfen kann.
Gaffer bei Bränden – das lösen sie aus:
Schaulustige können bei Betroffenen von Unglücken negative Gefühle auslösen.
Im Extremfall vermuten sie bei den Gaffern sogar Schadenfreude.
Eine Frau aus Bischofszell hat nach dem Brand ihres Hauses eine Gafferkasse aufgestellt.
In Krisenfällen gilt: Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Wenn man Betroffene unterstützt, finden sie einfacher wieder in den Alltag zurück.
Was ist passiert?
In Bischofszell TG und Rorschach SG brannte es kürzlich, worauf sich während und nach dem Brand zahlreiche Schaulustige vor den betroffenen Häusern versammelten. In Rorschach mussten sogar Personen von der Polizei weggewiesen werden, mit dem Hinweis, dass ihnen eine Rauchvergiftung drohen könnte.
Den Betroffenen der Brandobjekte ist die Gafferei teilweise sauer aufgestossen. In Bischofszell wurde darauf sogar eine Gafferkasse eingerichtet.
«Liebe Gafferinnen und Gaffer, wir haben extra für euch eine Gafferkasse aufgestellt»

Darauf tauchte die Frage auf, was die Gafferei bei den Geschädigten auslöst und was man statt der Befriedung der natürlichen Neugierde ansonsten tun könnte.
Was geht in den Betroffenen solcher Unglücke vor?
Diese und weitere Fragen stellte 20 Minuten dem forensischen Psychiater Thomas Knecht. «Zuerst kommt die Bestürzung bis zur Fassungslosigkeit, gehört es doch zu den elementarsten Verlusterlebnissen, sein Zuhause zu verlieren», sagt Knecht. Dann folge oft ein Gefühl der Ungerechtigkeit: «Das haben wir nicht verdient», denken die Betroffenen. Zudem können Verdächtigungen aufkommen: «Wer ist für diese Katastrophe verantwortlich?», fragen sich die vom Unglück Betroffenen.
Was kann das Gaffen bei den Betroffenen auslösen?
«Es entsteht fast unausweichlich das schlechte Gefühl, diese Neugierigen würden sich am Elend der Geschädigten weiden», sagt Knecht. Bis zur Unterstellung von Schadenfreude sei es dann nicht mehr weit.
Warst du auch schon unter den Schaulustigen bei einem Unglück?
Wie können Betroffene das Unglück am besten verarbeiten?
Die Tipps von Knecht:
Geteiltes Leid ist halbes Leid: Schon die Solidarität unter den Betroffenen ist Gold wert.
Prompte Hilfe durch Dritte vermittelt das Gefühl, dass man in seinem Unglück nicht alleingelassen wird.
Hilfe und Unterstützung durch die Gemeinschaft zeigt auf, dass das Leben weitergehen wird.
Bei sogenannten Traumafolgestörungen ist therapeutische Hilfe notwendig.
Wie sollen sich Angehörige und Drittpersonen verhalten?
«Nicht aufdrängen, sondern behutsam Hilfe anbieten», rät Knecht. Die Geschädigten würden oft am besten wissen, was in ihrer Situation aktuell grad nottut.
«Manchmal genügt es, ruhige Präsenz markieren, eine Erfrischung anzubieten oder via Handy Kommunikation zu ermöglichen»
Zudem ergänzt Knecht, solle man heroische Feuerwehreinsätze und medizinische Massnahmen, abgesehen von der Ersten Hilfe, besser den Profis überlassen.
Hier siehst du den Brand in Bischofszell TG im Video.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Trauma erlitten?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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