Bewegungs-TrackingDas machen Händler mit Handydaten der Kunden
Valora erstellt Bewegungsprofile ihrer Kunden, um personalisierte Werbung zu schalten. Laut Experte Tobias Wirth ist das erst der Anfang.
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Herr Wirth, Valora sammelt in einem Pilotversuch per Wi-Fi Daten von Kunden und will ihnen längerfristig direkt Angebote aufs Smartphone schicken. Jemand, der nach dem Kiosk noch auf den Brezelstand zusteuert, soll etwa direkt einen Gutschein aufs Handy erhalten. Ist das die Zukunft im Detailhandel?
Das Thema ist in der Schweiz stark im Kommen. Ich rechne damit, dass nächstes Jahr diverse Händler mit solchen Lösungen experimentieren oder bereits mit Apps auf den Markt drängen werden. Auch die grossen Detailhändler machen sich Gedanken, wie sie die Kundendaten nutzen können.
Wie werden die Daten konkret eingesetzt?
Denkbar ist eine App, die das Betreten eines Ladens registriert. Auf einer Karte sehe ich dann auf meinem Smartphone bereits die ersten interessanten Angebote und wo sie sich befinden. Über Geolokalisierung schickt mir der Händler dann passgenaue Angebote und Aktionen per Push-Nachricht. Ich stehe also vor dem Chips-Regal und erhalte gleichzeitig die für mich passende Aktion zugeschickt. Man kann sagen: In Zukunft ist der Kunde nicht mehr mit dem Einkaufszettel unterwegs, sondern navigiert mit dem Smartphone durch die Regale. Der nächste Schritt wäre dann ein Konzept, wie es Amazon Go in den USA bereits in einem neuen stationären Filiale umgesetzt hat: Dank den Kundendaten und Sensoren wird automatisch erkannt, welche Produkte jemand gekauft hat – der Gang zur Kasse entfällt somit.
Akzeptiert es der Kunde, wenn er beim Einkaufen überwacht wird?
Das ist tatsächlich noch die grösste Hürde, weil die meisten Kunden der Datensammlung skeptisch gegenüberstehen. Studien zeigen, dass lediglich zwanzig Prozent einverstanden sind, dass ihre Daten inklusive Lokalisierungsdaten genutzt werden. Und das auch nur, wenn sie einen Mehrwert dafür erhalten, etwa Rabattgutscheine. Der Datenschutz bleibt ein Knackpunkt: Der Kunde muss immer sein Einverständnis geben, wenn personenbezogene Daten über ihn gesammelt werden. Gleichzeitig muss der Händler garantieren können, dass die persönlichen Daten nicht an Dritte weitergegeben werden.
Kann sich der Kunde in Zukunft der Datensammlung entziehen? Oder muss er beim Einkaufen auf Aktionen verzichten, wenn er seine Daten nicht preisgeben will?
Ganz verzichten wird der Kunde nicht müssen. Aber es besteht die Gefahr, dass die attraktiven Rabatte und Aktionen nur noch an Kunden gesendet werden, die sich der Datensammlung nicht entziehen. Dem Händler geht es um eine möglichst kosteneffiziente Marktbearbeitung. Das heisst, er muss die Kunden im richtigen Moment, über den passenden Kanal, mit dem relevanten Angebot erreichen. Nur so stellt sich eine hohe Nutzungsrate der Rabatte und Aktionen ein und es steht in einem ausgewogenen Kosten-Nutzen Verhältnis.
Können Detailhändler, die nicht auf mobile Lösungen setzen, in Zukunft noch am Markt bestehen?
In China und den USA hat sich eine Schnäppchenjäger-Kultur etabliert. In diesen Ländern kommen Händler nicht mehr um diese neuen datengesteuerten Mobile-Marketing-Aktivitäten herum. Es werden eigene Apps eingesetzt oder auf mobilen Plattformen wie WeChat, Alipay oder Facebook-Messenger Aktionen geschaltet. Zudem ist das Smartphone heute das dominierende Medium bei allen Kunden. Entsprechend ist die Nutzung des mobilen Kanals ein absolutes Muss. Für die Kunden ist diese ganze Entwicklung durchaus auch positiv. Denn sie erhalten dank der neuen intelligenten Lösungen relevante und passende Angebote aufs Mobile gesendet und keinen Spam.

Tobias Wirth ist Vorstandsmitglied der swiss mobile association.