84 Jahre späterDas Rätsel der Hindenburg-Katastrophe ist gelöst
36 Menschen starben, als das Luftschiff Hindenburg bei der Landung in New Jersey verbrannte. Bis heute rätselten Experten, wie es zu der Katastrophe kommen konnte.

- von
- Jean-Claude Gerber
Darum gehts
Am 6. Mai 1937 ging das deutsche Luftschiff Hindenburg bei der Landung in New Jersey in Flammen auf.
35 (13 Passagiere, 22 Crewmitglieder) der 97 Personen an Bord starben, dazu ein Mitglied der Bodenmannschaft.
Zur Katastrophe kam es, weil der als Traggas verwendete Wasserstoff explodierte.
Die genauen Umstände des Unglücks blieben jahrzehntelang rätselhaft.
Nun hat ein US-Forscher herausgefunden, weshalb sich vier Minuten nach Auswurf der Landetaue genau am Ort eines Wasserstofflecks ein fataler Funke gebildet hatte.
Wie der Untergang der Titanic, der Super-GAU von Tschernobyl oder die Landung auf dem Mond gehört das Inferno der Hindenburg zu den prägenden Momenten des 20. Jahrhunderts. Die Filmaufnahmen des Unglücks und die erschütternde Livereportage des Radioreporters Herbert Morrison haben sich in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt. Bis heute bewegt das Schicksal des Zeppelins die Menschen.
Mitverantwortlich für das anhaltende Interesse an der Katastrophe ist die Tatsache, dass jahrzehntelang nicht klar war, wie es dazu kommen konnte. Weshalb das Luftschiff an jenem Gewitterabend des 6. Mai 1937 in Lakehurst im US-Bundesstaat New Jersey in Flammen aufging, blieb eines der grossen Rätsel der Technikgeschichte. Nun hat ein Forscher vom California Institute of Technology (Caltech) einen neuen Anlauf unternommen, Licht ins Dunkel zu bringen.
Nachbau der Aussenhülle
Im Auftrag des US-Fernsehsenders PBS hat Chemieprofessor Konstantinos Giapis rekonstruiert, was damals passierte. Dabei baute er auf frühere Erkenntnisse auf, wonach am Zeppelin das Traggas Wasserstoff austrat, das sich an einem Funken entzündete. Als Erklärung für die Funkenbildung hatte sich die Annahme durchgesetzt, dass sich die Aussenhülle des Zeppelins bei der Fahrt durch die gewittrige Atmosphäre statisch auflud und es bei der Landung zur fatalen Entladung kam.
Doch weshalb dauerte es nach dem ersten Bodenkontakt durch den Auswurf der Landetaue – wodurch sich der Stromkreis schloss – noch vier Minuten bis zur Entladung? Und wie konnte es sein, dass der Funke an dem 246 Meter langen und über 40 Meter hohen Riesenzeppelin genau dort entstand, wo sich das Wasserstoffleck befand? Um das herauszufinden, baute Giapis die Aussenhaut der Hindenburg im Kleinformat originalgetreu nach.
Dabei spannte er eine Hülle aus einem imprägnierten Baumwoll-Leinen-Gemisch über ein Aluminiumgerüst. Anschliessend lud er die Hülle auf, wie es damals in der gewittrigen Luft geschehen war. Dann simulierte er den Auswurf der Landetaue, indem er das Gerüst erdete. Beim ersten Versuch geschah nichts. Erst als er die Aussenhaut nass machte, wie es damals im Gewitterregen der Fall war, sprangen die Funken zwischen der Aussenhaut und dem durch Holzstücke isolierten Gerüst.
Auswurf der Landetaue entscheidend
Die Frage blieb, weshalb sich damals die Funken erst vier Minuten nach Auswurf der Taue bildeten. Giapis erkannte, dass sich die Aussenhaut nur durch die Fahrt in der gewittrigen Luft nicht genügend stark aufladen konnte. Das passierte erst durch die Erdung des Luftschiffs über die Landetaue. Die Erdung sorgte dafür, dass sich das Alugerüst negativ auflud, was wiederum zu einer stärkeren positiven Aufladung der Aussenhaut führte.
«Wenn man ein Gerüst erdet, schafft man einen Kondensator – eine der einfachsten elektrischen Vorrichtungen, um Elektrizität zu speichern – und so kann sich mehr Ladung von aussen ansammeln», erklärt Giapis in einer Medienmitteilung des Caltech. «Ich stellte einige Berechnungen an und fand heraus, dass es etwa vier Minuten dauert, einen Kondensator dieser Grösse aufzuladen.»
Hunderte Kondensatoren
Erst ab diesem Zeitpunkt war demnach zwischen Aussenhülle und Gerüst ein genügend stark aufgeladenes elektrisches Feld vorhanden für Funken, die den Wasserstoff zur Explosion bringen konnten. Doch weshalb entstand der Funke genau dort, wo der Wasserstoffleck war? «Der Wasserstoff trat an einer spezifischen Stelle dieses gigantischen Dings aus. Wäre der Funke irgendwo am Zeppelin entstanden, hätte er unmöglich den Wasserstoff entzünden können», so Giapis. «Eine Ladung kann zwar auf einer nassen Oberfläche eine kurze Distanz wandern, aber kaum vom Bug des Luftschiffs bis zum Heck.» Wie konnte also der Funken das Leck finden?
Laut Giapis bildete die Hindenburg nicht einen einzelnen riesigen Kondensator. Die Ladung konnte sich überall dort aufbauen, wo sich die Aussenhülle und das Gerüst nahe kamen. So dürften sich hunderte von Kondensatoren verteilt über den ganzen Zeppelin gebildet haben – auch in der Nähe des Wasserstofflecks. «Ich glaube, dass über das ganze Luftschiff verteilt Funken entstanden, auch dort, wo sich das Leck befand», so das Fazit von Giapis.
TV-Tipp: Wer Replay-TV hat, kann sich die Dokumentation auf dem Sender Welt (ehemals N24) anschauen. «Die Hindenburg – was wirklich geschah» wurde am 19. Mai um 01.55 ausgestrahlt.
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