Gross wie BakterienDas Riesenvirus, das aus der Kälte kam
Forscher haben 30'000 Jahre alte Viren aus dem Permafrost Sibiriens zum Leben erweckt. Sie fürchten, dass dort künftig Erreger freigesetzt werden, die für Menschen gefährlich sind.
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- jcg

Eine ultradünne Scheibe eines Pithovirus in einer infizierten Amöbe. (Bild: Julia Bartoli/Chantal Abergel)
Die Klimaerwärmung und das Bohren nach Öl in der Arktis bringen es mit sich, dass immer mehr gefrorene Böden langsam auftauen und freisetzen, was sie zuvor über tausende Jahre sicher gehütet hatten – mit möglicherweise gravierenden Folgen für Mensch und Tier. Das jetzt entdeckte Riesenvirus Pithovirus sibericum infiziere bestimmte Amöben, berichten die Wissenschaftler in den «Proceedings» der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.
Riesenviren sind etwa so gross wie Bakterien und sogar in einem Lichtmikroskop sichtbar. Bislang kannten die Forscher zwei sehr unterschiedliche Familien: die Megaviren und die Pandoraviren. Beide sind erst seit etwa zehn Jahren bekannt.
Das Team um Matthieu Legendre und Julia Bartoli von der Aix-Marseille Université (Marseille/Frankreich) spürte nun eine dritte Variante auf: das 1,5 Mikrometer (0,0015 Millimeter) lange Pithovirus.
Dazu hatten die Wissenschaftler Proben des Permafrostbodens aufgetaut und dann im Labor mit Acanthamöben (Acanthamoeba castellanii) zusammengebracht. Die Amöben dienten sozusagen als Köder, um den Viren eine Möglichkeit zu geben, sich wieder zu vermehren.
Ältestes wiedererwecktes Virus
«Unseres Wissens ist dies das älteste, Eukaryoten-infizierende Virus, das bisher zum Leben erweckt wurde», schreiben die Forscher. Die Pithoviren scheinen charakteristische Merkmale der beiden anderen bekannten Riesenvirus-Familien in sich zu vereinen. In ihrer amphoren-ähnlichen Struktur ähnelten sie den Pandoraviren, während ihr Gen-Gehalt und die Art der Replikation an Megaviren erinnerten.
Angesichts der Grösse des Virus waren die Forscher von der geringen Zahl der im Erbgut codierten Proteine überrascht: Das Virus bildet scheinbar gerade einmal 467 Proteine. Das Genom der Pandoraviren codiert bis zu 2500, das der Megaviren immerhin bis zu 1000 Proteine.
Viren aus genetisch betrachtet völlig unterschiedlichen Familien können scheinbar die gleiche Struktur haben, schreiben die Wissenschaftler. Womöglich gebe es noch zahlreiche weitere Varianten von Viren, die eine Pandoravirus-ähnliche Struktur, aber in Grösse und Art ganz unterschiedliche genetische Merkmale besitzen. Die Jagd auf diese Viren habe gerade erst begonnen.
(jcg/sda)