Slawa BykowDas russische Erfolgsgeheimnis
Zum ersten Mal seit 1989 und 1990 hat Russland zweimal hintereinander die WM gewonnen. Russlands Nationaltrainer Slawa Bykow (49) erklärt 20 Minuten Online das Erfolgsgeheimnis des alten und neuen Weltmeisters.
- von
- Klaus Zaugg
1989 und 1990 wurden sie noch unter der Bezeichnung Sowjetunion Weltmeister - und mit dem aktuellen Nationaltrainer Slawa Bykow als Spieler.
Nach dem Untergang der Sowjetunion vermochte Russlands Eishockeykultur die Welt nicht mehr zu dominieren. Zwischen 1993 und 2008 holten die Russen keinen WM-Titel mehr. Erst Slawa Bykow ist es gelungen, aus Einzelspielern wieder ein Team zu formen. 2007 erreichte er in Moskau Platz 3, 2008 gewann er die WM in Kanada und jetzt hat er den Titel in Bern verteidigt.
«Wir sind eine Familie»
Was ist anders als damals, in der alten Sowjetunion? Bykow benützt ein Wort für die Mannschaft, das es für das Kollektiv zu Zeiten der Kommunismus nicht gab: Familie. «Wir sind eine Familie, in der jeder an seinem Platz seine Aufgabe zu erfüllen hat - wir als Coaches und die Spieler. Wir versuchen, gemeinsam etwas aufzubauen und wir respektieren dabei die persönliche Freiheit eines jeden einzelnen. Ich versuche, meine Leidenschaft für diesen Sport auf meine Spieler zu übertragen.«
An der Bande wirkt Bykow immer cool und beherrscht. «Das ist nicht immer einfach. Aber es ist wichtig, dass ich während des Spiels die Emotionen kontrolliere und die Übersicht behalte. So kann ich der Mannschaft am besten helfen.« Bykow sieht sich selbst als ein Teil des Eishockeys. «Wir gehören alle zusammen: Die Fans, die Funktionäre, die Trainer und die Spieler. Ich versuche in meiner Position als Nationaltrainer so viel wie möglich dem Eishockey zu geben.»
Taktische Überraschung
Die Russen überraschten die Kanadier mit ihrer Geduld und ihrer defensiven Spielweise - die Kanadier dominierten das Spiel mit 38:17 (!) Torschüssen. Aber sie verloren 1:2. Wahrscheinlich hat noch nie eine so talentierte Mannschaft so schlau defensiv gespielt. Ilja Kowaltschuk, der brillanteste Einzelspieler dieses Turniers und zweitbeste WM-Skorer, stellte sich ganz in den Dienst der Mannschaft. Er war in diesem Finale der beste Defensivstürmer. Zu Recht ist er zum MVP (wertvollster Spieler) des Turniers gewählt worden. Kanadas Cheftrainer Lindy Ruff wirkte denn auch nach dem Finale ziemlich ratlos. «Die Russen waren in den ersten 20 Minuten besser. Aber dann haben wir 40 Minuten das Spiel dominiert und es ist eigentlich so gelaufen wie wir es wollten. Wir vermochten die Schlüsselspieler der Russen zu neutralisieren und wir hatten genügend Torchancen, um das Spiel zu gewinnen. Aber wir haben diese Chancen nicht genützt.»
Kanada hat fast alles richtig gemacht
Eigentlich hatten die Kanadier ja tatsächlich (fast) alles richtig gemacht und es war tatsächlich so, wie es Lindy Ruff sagte: Die Kanadier kontrollierten die Partie, hatten mehr Torchancen und hätten eigentlich gewinnen können. Auf einem viel höheren Niveau hatte die Partie ähnliche taktische Grundzüge wie das Spiel Lettland gegen die Schweiz. Aber eben: Die Russen verteidigten geduldig und diszipliniert. Und vor allem waren sie trotz optischer Unterlegenheit in den Zweikämpfen auf dem ganzen Eis nie passiv und liessen sich nie einschüchtern. Die Russen zeigten jederzeit kanadische Härte.
Wie die Kanadier hatten auch die Russen nicht alle ihrer besten Spieler an der WM - ein paar Superstars sind nach wie vor in den Stanley Cup-Playoffs engagiert. Trotzdem haben die Russen ihren Titel verteidigt. Stehen wir also am Anfang einer neuen Dominanz des russischen Eishockeys? Die «Big Red Machine» (so nannten die Kanadier voller Ehrfurcht die sowjetische Nationalmannschaft) klassierte sich zwischen ihrem Einstieg in die WM 1954 bis zur Auflösung 1991 nie schlechter als im dritten Rang und gewann 21 WM-Titel.
Dominanz in den nächsten Jahren?
Russland kann das internationale Eishockey wieder so dominieren wie einst die Sowjetunion. Bykow, dessen Vertrag noch bis und mit WM 2010 läuft, schliesst es nicht aus: «Wir haben eine junge Mannschaft und der Konkurrenzkampf unter den Spielern ist sehr gross.»