DoppeladlerDas sagen Serben und Kosovaren zu Jubel-Pose
Der von mehreren Nati-Spielern gezeigte Doppeladler erhitzt die Gemüter. Auch unter 20-Minuten-Lesern ist eine Debatte entbrannt.
- von
- bus
Seit dem Spiel Schweiz gegen Serbien vom Freitag ist der Doppeladler in aller Munde. Der Weltfussball-Verband Fifa hat erst ein Verfahren gegen Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka eingeleitet, am Sonntag wurde auch gegen Stephan Lichtsteiner ein Verfahren eröffnet. Alle drei hatten beim Torjubel die umstrittene Doppeladler-Geste gezeigt, wie auf Fernsehbildern zu sehen ist.
Das sagen Serben und Kosovaren zur Jubel-Pose:
Enis (35): «Oh mein Gott, die Welt geht zu Grunde. Ich bin Kosovare und auch Schweizer. Ich bin stolz auf beide Nationen. Ich weiss nicht, warum man so ein Theater macht. Die Serben haben mehr provoziert.»
Daniel Djukaric (23): «Klar ist es eine Provokation für uns Serben. Ich kann den Doppeladler der albanisch-stämmigen Spieler aber auch ein bisschen nachvollziehen, denn sie wurden vom serbischen Publikum arg provoziert. Dass Lichtsteiner aber Partei ergreift, verstehe ich überhaupt nicht.»
Dardan (23): «Ich finde es sehr schade, dass die Doppeladler-Geste als Provokation angesehen wird. Werden die Schlachtrufe der serbischen Fans, von denen einige Mladic-Hoodies im Stadion trugen, nicht auch als Provokation angesehen? Zurück zum Adler: Alle albanisch-stämmigen Spieler wurden von Anfang an unter Druck gesetzt und diese Geste war pure Emotion. Der Adler war kein politisches Statement, es war einfach ein Gruss an alle, die sich über die Tore für die Schweiz freuten.»
Kastriot Shllaku (34): «Der Doppeladler ist für uns Albaner wie das Schweizerkreuz für die Schweizer. Die Spieler sind Doppelbürger und haben das Recht, das Symbol zu zeigen. Immerhin stehen jetzt zur WM-Zeit an fast jeder Ecke im Kosovo Schweizerfahnen und -symbole. Das ist eine gewisse Solidarität von beiden Seiten. Sie sind nun mal Doppelbürger, und wenn man das nicht will, muss man halt ein reines Schweizer Team aufstellen. In der Schweiz ist es auch so, dass ein Xhaka oder ein Shaqiri nicht als Schweizer angesehen werden.»
Nikola (22): «Ich bin Serbe und bin in der Schweiz aufgewachsen. Für viele Serben, vor allem für Doppelbürger, war dieses Spiel sehr emotional. Man ist der Schweiz dankbar für das Leben hier. Jedoch haben Shaqiri und Xhaka mit dieser Geste gezeigt, dass diese Tore nicht für die Schweiz, sondern für ein anderes Land gefallen sind. Sie hatten die Möglichkeit, für Albanien respektive Kosovo zu spielen, und haben sich für die Schweiz entschieden. Ab diesem Zeitpunkt müssen sie zu 100 Prozent hinter der Schweiz stehen. Ich bewundere einen Seferovic oder Drmic, die sich für die Schweiz entschieden haben und voll dahinter stehen und bislang nie eine solche Geste gemacht haben. Das war seitens der albanisch-stämmigen Spieler eine klare Provokation und ein klares Statement. Zudem muss man sagen, dass diese beiden Spieler für viele Junge eine Vorbildfunktion haben. Diese Geste hat wieder einmal einen Keil zwischen die Albaner und die Serben hier in der Schweiz getrieben. Auch ich habe albanische Freunde und solch ein Verhalten der Spieler erschwert die Freundschaft massiv.»
Merita Ajdini (18): «Ich komme ursprünglich aus dem Kosovo, bin aber in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Ich kann den Jubel vollkommen verstehen. In Kosovo wurden überall Flaggen der Schweiz aufgehängt und gefeiert. Die Kosovaren haben auch dort die Schweizer Nati unterstützt und angefeuert. Xhaka und Shaqiri haben genau das Richtige gemacht, denn sie haben die Leute in Kosovo mit dem Doppeladler gegrüsst – was man auch als Respekt ansehen kann. Sie sind stolze Nati-Spieler; wären sie dies nicht, würden sie für Kosovo oder Albanien spielen.
Lichtsteiner beweist, dass sie zusammenhalten wie eine Familie. Ein Hoch auf die Schweizer Nati – mit oder ohne Doppeladler.
Asim Rexhepi (32): «Diese Diskussion führt nur zu Misstrauen, Skepsis und Ablenkung in unserer Nati. Das ist schädlich für den Teamgeist und kann uns teuer zu stehen kommen. Aus Dankbarkeit dafür, dass die Schweiz ihren Eltern in den dunkelsten Stunden ihres Lebens Sicherheit und ein neues Zuhause geboten hat, geben diese Jungs alles, was sie haben. Also unterstützen wir sie, anstatt abzulenken und zu demotivieren.»
Daniel Vasiljevic (32): «Ich als serbisch-Schweizer Doppelbürger möchte der Schweiz zum Sieg gratulieren. Dass aber gewisse Spieler die Bühne vor einem Milliardenpublikum nutzen, um ihren Hass gegenüber Serbien kundzutun, zeugt von wenig Grösse. Schade, ab heute bin ich kein Fan der Schweizer Nati mehr! Des Weiteren finde ich es seltsam, dass der Schweizer Fussballverband SFV eine solche Art zu feiern 2014 verboten hat und dies auch von albanischen Spielern akzeptiert wurde. Jetzt sehen sie plötzlich kein Problem darin. Wenn sogar einige Bundesräte die Provokation gegen den serbischen Teil der Schweizer Bevölkerung unterstützen, will ich bald nicht mehr Schweizer sein.»
Darko Dinic (32): «Als gebürtiger Serbe und eingebürgerter Schweizer gefällt mir die Schweiz wegen ihrer Vielfalt. Deshalb verstehe ich die respektlose Aktion mit dem Doppeladler nicht.»
Natalija (26): «Der Doppeladler hätte nicht sein sollen. Diese Reaktion war verantwortungslos. Wann fangen wir endlich an zu merken, dass dieser unnötige, extreme Nationalsstolz niemandem etwas bringt? Denkt doch mal an die Kinder! So viele Kinder schauen sich die WM an, Kinder serbischer und kosovarischer Herkunft. Wir werden niemals über diesen Krieg hinwegkommen, wenn diese Emotionen in jeder Generation weitergegeben werden.»
Gordana (50): «Ich habe serbische und kroatische Wurzeln und bin in der Schweiz geboren. Egal, welche Provokationen von beiden Seiten im Vorfeld gemacht wurden, man sollte erwarten können, dass sie sich 90 Minuten zusammenreissen können. Leider haben sie auf die Konsequenzen gespuckt. Hauptsache, sie gewannen den Krieg auf dem Spielfeld. Die Schweizer können auf solche Spieler nicht stolz sein. Ein Herzsymbol hätte gereicht und alle hätten verstanden, wem man dankt. Wo ist die Vorbildrolle für die jungen Albaner in der Schweiz? Weiterhin hopp Schwiz, hopp Serbien und hopp Kroatien. Hopp Italien hätte ich auch gern gerufen, aber das ist eine andere Geschichte...»