SivassporDas Überraschungsteam der Süper Lig
Die höchste türkische Fussball-Liga steht Kopf. Das hier eher unbekanntere Sivasspor grüsst weiter von der Tabellenspitze und die drei Istanbuler Grossklubs Galatasaray, Fenerbahce und Besiktas sowie Trabzonspor haben das Nachsehen. Grund genug zum Hinsehen.
- von
- Herbie Egli
Herbert Grönemeier singt über seine Stadt Bochum: «Tief im Westen ...». Würde man diesen Song über Sivas schreiben, den Ort des aktuellen Süper-Lig-Leaders Sivasspor, könnte dieser gut mit «tief im Osten ...» beginnen. Fährt man von der Hauptstadt Ankara 450 Kilometer in östliche Richtung - das entspricht der Strecke von Basel bis ans Mittelmeer nach Genua - kommt man nach Sivas im Herzen Anatoliens. Dort schlägt im Moment das Herz des türkischen Fussballs
Kontinuierlicher Aufstieg
Die jüngere Geschichte des Tabellenführers Sivasspor ist wie ein langsamer, märchenhafter Aufstieg eines Provinzklubs: Im Jahr 2001 stieg Sivasspor in die zweithöchste Liga auf, vier Jahre später gelang es den Rot-Weissen sogar, sich in die Süper Lig zu schiessen. Und auch dort sorgte der Neuling für Furore. Im ersten Jahr landete er auf Platz 8, im Jahr darauf wurde Sivasspor Siebter und konnte im vergangenen Winter 2007/08 gar die Herbstmeisterschaft feiern. Am Ende reichte es für den vierten Schlussrang. Auch in dieser Saison wurde Sivas Wintermeister und behauptet sich schon seit dem 15. Spieltag auf dem Leaderthron.
Der Vater des Erfolgs
Gestützt von einer seriösen Vereinsleitung, ist vor allem der aktuelle Trainer Bülent Uygun der Vater des Erfolgs. Ausgerechnet im Jahr eins nach dem Aufstieg kam er in der Not zu Sivasspor. 2005/06 wurde zunächst der deutsche Türkei-Experte Werner Lorant Trainer, doch dieser verdünnisierte sich im wahrsten Sinne des Wortes in den Iran, woraufhin der Slowake Karol Pecze den Job erbte. Doch bereits im November wurde auch er entlassen und der Ex-Internationale Bülent Uygun übernahm. Der ehemalige Stürmer und Torschützenkönig von Fenerbahce wurde so im Alter von 34 Jahren bereits Trainer in der höchsten Spielklasse der Türkei. Er brachte das Team in ruhiges Fahrwasser und machte Sivasspor zu einem ernsthaften Titelanwärter.
Beinahe ein Team der Namenlosen
In der Mannschaft steht hingegen kaum ein Star auf dem Feld. Zuletzt gelang es einzig dem Stürmer und Captain Mehmet Yildiz, sich einen Namen zu machen. Doch nach einigen Länderspielen im Jahr 2007 wurde er nicht mehr für die Nationalmannschaft aufgeboten. Noch international spielen dafür Torhüter Michael Petkovic (Australien), Pini Balili (Israel) sowie Mamadou Diallo und Kanfory Sylla (beide Guinea). In der Schweiz kein Unbekannter ist hingegen Hervé Tum. Der frühere Angreifer von Sion und Basel hat inzwischen bei Sivasspor eine neue Heimat gefunden.
Heissblütige Fans lernten aus Tragödie
Ein wichtiger Aspekt dieser Erfolgsgeschichte sind nicht zuletzt auch die Heimspiele im kleinen, engen Sivas 4 Eylül Stadyum mit knapp 15 000 Plätzen, dafür aber heissblütigen Fans. So heissblütig, dass es 1967, im Derby gegen Kaysirispor, 40 Tote aus beiden Lagern gab. Diese Tragödie nahmen die Fans beider Klubs zum Anlass, eine Fanfreundschaft zu gründen, die bis heute hält. Seither schauen sich die Fans die beiden Direktduelle jeweils brüderlich vereint in den gleichen Sektoren an.
Noch sechs Runden
Am Samstag kommt es im kleinen Eylül Stadyum zum Spitzenkampf des Ersten gegen das drittplatzierte Trabzonspor. Kann sich Sivasspor auch hier durchsetzen, sieht es mit einem Titelgewinn gar nicht so schlecht aus. Das Restprogramm ist durchaus machbar, auch wenn es das letzte Saisonspiel in sich hat: Auswärts im Ali Sami Yen gegen Galatasaray Istanbul.
Der Rekordmeister und Titelverteidiger belegt im Moment mit sechs Punkten Rückstand auf Sivasspor aber nur den 4. Platz. Hinter Galatasaray rangiert Fenerbahce und davor liegen Trabzonspor und Besiktas. Ausser den drei grossen Vereinen aus Istanbul und Trabzonspor ist in der 40-jährigen Geschichte der Süper Lig noch kein anderes Team Meister geworden. Sivasspor könnte diese Saison also Geschichte schreiben.