Pro Bahn über SBB: «Das Verhalten der SBB grenzt an Diebstahl»

Aktualisiert

Pro Bahn über SBB«Das Verhalten der SBB grenzt an Diebstahl»

Es hagelt Kritik von allen Seiten: Dass die SBB gefundenes Geld für sich behält, löst nicht nur bei 20-Minuten-Lesern Empörung aus. So fördere die SBB unehrliches Verhalten, sagen Experten.

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Eine Familie aus dem Thurgau hat am Flughafen Zürich 1400 Franken gefunden und am SBB-Schalter abgegeben. Das Geld gehöre jetzt der SBB, sagte Sprecher Christian Ginsig.

Eine Familie aus dem Thurgau hat am Flughafen Zürich 1400 Franken gefunden und am SBB-Schalter abgegeben. Das Geld gehöre jetzt der SBB, sagte Sprecher Christian Ginsig.

Eine Familie findet im Bahnhofbereich des Flughafens Zürich 1400 Franken und gibt das Geld ehrlicherweise am SBB-Schalter ab. Nach ein paar Wochen ruft die Mutter beim Transportunternehmen an, um nachzufragen, was mit dem Fund passiert sei. Die SBB beanspruche das Geld für sich, lautet die Antwort, niemand habe es als vermisst gemeldet. «Bei allem, was auf Gebiet der SBB gefunden wird, gilt die Transportunternehmung als Finder, wie auf öffentlichem Grund der Kanton oder die Gemeinde. Demnach gehört das Geld der SBB», sagt Sprecher Christian Ginsig. Der Beitrag decke einen minimalen Teil der Kosten für den Fundservice, der im tiefen einstelligen Millionenbetrag liegt. Das Fundbüro funktioniere gut, mehr als jeder zweite Gegenstand von insgesamt rund 100'000 jährlich finde zurück zum Besitzer.

Die 20-Minuten-Leser sind empört: «Das ist eine Frechheit, SBB», schreibt Nikk. «Gut, dass ich dies nun weiss. Ich werde in Zukunft alles Gefundene behalten», so Reinhard Krieg. Auch Omimigina ist enttäuscht über das Verhalten der SBB: «Gehts noch?», schreibt der Leser. «Bis jetzt war ich ehrlich und habe alles, was ich gefunden habe, auf dem Polizeiposten oder am Fundbüro abgegeben. Aber wenn es sich die SBB erlauben kann, mit so einer Ausrede, Geld zu behalten, das ihr nicht gehört, kann ich es doch auch!»

«Bodenlose Frechheit der SBB»

Ein paar Tage nach dem Anruf der Mutter, erhält die Familie schliesslich einen Finderlohn im Wert von 100 Franken. Dieser sei freiwillig, betonte Ginsig in einem Interview mit der Sendung «Espresso» von Radio SRF1.

«Ich empfinde es als bodenlose Frechheit von der SBB. Erstens, das Geld zu behalten, und zweitens, den Finderlohn als ‹Gnadenakt› anzusehen. Kein Wunder, gibt niemand mehr Fundsachen ab!», schreibt Leser Georgi dazu.

«SBB verstösst gegen Prinzip von Treu und Glauben»

Kurt Schreiber, Präsident von Pro Bahn Schweiz, kann die Aussage von Sprecher Ginsig ebenfalls nicht nachvollziehen. «Das grenzt an Diebstahl», sagt er. Das Verhalten der SBB in diesem Fall widerspreche dem Prinzip von Treu und Glauben. «Ich kann verstehen, dass die Leute nach diesem Bericht keinen Anreiz mehr haben, gefundenes Geld bei der SBB abzugeben.» Die Bundesbahn sende ein äusserst negatives Zeichen an ihre Kunden. «Das Geld gehört der Person, die es verloren hat. Die SBB hat kein Recht, dieses für sich zu beanspruchen, erst recht nicht nach so kurzer Zeit.»

Auch die Tatsache, dass die Familie ihren Finderlohn erst nach mehreren Wochen bekommen hat, irritiert Schreiber. «Zudem sind 100 Franken zu wenig, normalerweise bekommt man mindestens 10 Prozent des Betrags.» Er sei enttäuscht von dieser Reaktion und empfehle darum jedem, der Geld auf dem Gebiet der SBB finde, es bei einem Polizeiposten oder Fundbüro und nicht bei der Bahn abzugeben.

«SBB sollte Geld an Hilfswerke spenden»

Dass alles, was auf dem Territorium des SBB gefunden wird, automatisch dem Unternehmen gehört, kann auch Sara Stalder, Geschäftsleiterin von der Stiftung für Konsumentenschutz, nicht glauben: «Das kann doch nicht sein», sagt sie. Das Geld gehöre demjenigen, der es verloren habe und bestimmt nicht der SBB.

Ihrer Meinung nach müsste die Transportfirma das Geld – nach einer angemessenen Zeit wie einem Jahr und bestimmt nicht bereits nach wenigen Wochen – in einem zweckmässigen und gemeinnützigen Fonds anlegen. «Sie könnten es beispielsweise an Hilfswerke spenden», so Stalder. Das Geld für sich zu beanspruchen, sei nicht in Ordnung. «Dieses Vorgehen ruft die Pendler ja quasi zu unehrlichem Verhalten auf.»

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